Die innere Sicherheit unter der Lupe

Der polizeikritische Informationsdienst Cilip bekommt einen Preis der Friedrich-Ebert-Stiftung. Mitte der 70er-Jahre ging der Dienst aus einem Forschungsprojekt an der FU hervor. Die Uni setzt das Projekt immer wieder auf Streichlisten

Für tot erklärt wurde das Projekt schon häufiger. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger – manchmal bekommen sie sogar einen Preis. So ergeht es dem Berliner Informationsdienst Bürgerrechte & Polizei/Cilip. Im Rahmen einer Veranstaltung der sozialdemokratischen Friedrich-Ebert-Stiftung erhält die Redaktion heute Nachmittag den mit 7.500 Euro dotierten Werner-Holtfort-Preis.

Eine bemerkenswerte Wendung: Denn als Cilip Mitte der 70er-Jahre gegründet wurde, geschah dies nicht zuletzt aus Protest gegen die damalige Sicherheitspolitik der sozialdemokratischen Bundesregierung. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verhängte sofort ein striktes Kontaktverbot. GdP-Mitglieder durften mit der Redaktion nicht einmal diskutieren.

Diese Zeiten sind vorbei. Heute ist Cilip ebenso wie das 1991 daraus hervorgegangene Institut für Bürgerrechte und öffentliche Sicherheit sowohl bei Parteien wie auch bei der Polizei ein geachteter Gesprächspartner, zu Parlamentsanhörungen in Fragen der inneren Sicherheit werden Mitarbeiter eingeladen.

Nur die Freie Universität Berlin, bei der das Institut angesiedelt ist, hat dies bislang nicht erkannt: Statt ihr Renommeeprojekt zu fördern, werden regelmäßig Räume gestrichen und so Stück für Stück die Grundlagen für die einzige unabhängige Polizeiforschung in Deutschland entzogen.

Entstanden ist Cilip aus einem Forschungsprojekt zur aktuellen Polizeientwicklung in der Bundesrepublik des Politologieprofessors Wolf-Dieter Narr. Im März 1978 erschien dann die Nullnummer von Bürgerrechte & Polizeientwicklung, damals noch mühsam in wenigen hundert Exemplaren auf dem Fotokopierer hergestellt.

Das innenpolitische Klima hatte gerade einen Siedepunkt erreicht. Im Bundestag mussten sich Linkskatholiken wie Heinrich Böll oder Luise Rinser als Wegbereiter des deutschen Terrorismus beschimpfen lassen. Beim Verfassungsschutz gehörten Regelanfragen zur politischen Gesinnung von Bewerbern für Stellen im öffentlichen Dienst zum Alltag. Insbesondere LehrerInnen, aber auch so mancher Briefträger und Lokführer fielen durch das Raster und mussten ihre Berufsperspektive ändern.

„Mit Bürgerrechte & Polizeientwicklung planten wir kein Fachblatt zur Förderung akademischer Karrieren, sondern einen Informationsdienst, der in die tagespolitische Auseinandersetzung um die Politik innerer Sicherheit eingreifen sollte“, sagt Falco Werkentin, heute stellvertretender Stasi-Beauftragter in Berlin. Die seinerzeitigen Erwartungen waren hoch gesteckt. Neben der deutschen Ausgabe wurde auch eine englische produziert. Sie erwies sich aber schnell als Flop. Nur ihr Titel Civil Liberties and Police Development (Cilip) hat sich gehalten und ist heute noch bekannter als der des Originals.

Viele Unkenrufe hat Cilip bislang überstanden: den Abgang seiner Gründungsmitglieder und die immer schwieriger werdende Rekrutierung von Nachwuchs für die wissenschaftliche Polizeiforschung; den Rückzug des Hamburger Millionärs Jan Philipp Reemtsma, der 1995 seine jahrelange finanzielle Förderung einstellte; auch die sinkende Leserschaft (rund 600) und der Fördermitglieder des Institutes (rund 80).

79 Ausgaben von Bürgerrechte & Polizei/Cilip sind in den vergangenen 26 Jahren erschienen, die nächste steht kurz bevor. Daneben entstanden etliche, bis heute wichtige Bücher zur Polizeientwicklung in Deutschland. Damit wurde 1978 in Berlin ein Projekt gestartet, das immer noch nicht nur in der Bundesrepublik einzigartig ist. Lediglich mit dem Anfang der 1990er-Jahre gegründeten britischen Informationsdienst Statewatch gibt es in Europa ein vergleichbares politisch unabhängiges Projekt.

OTTO DIEDERICHS