Verzweifelt gesucht: weiblich, profiliert, grün

Ein Wechsel von Sibyll Klotz vom Abgeordnetenhaus in den Bundestag stellt die Grünen vor Personalprobleme

Gemessen an urgrünen Maßstäben, war Sibyll Klotz geradezu ewig Fraktionsvorsitzende. Das Rotationsprinzip riss Mandatsträger der Grünen lange Zeit nach zwei Jahren aus ihren Positionen. Nicht so Sibyll Klotz. Nach 14 Jahren im Abgeordnetenhaus hat sie gestern gegenüber der taz ihre Kandidatur für den Bundestag bekannt gegeben. Für ihre Fraktion und die Berliner Grünen stellt sich die Frage: Wer füllt die große Lücke, die ihr Abgang hinterlässt?

Unter den neun weiteren Frauen der Fraktion werden der Kulturexpertin Alice Ströver Chancen eingeräumt. Als Staatssekretärin im rot-grünen Übergangssenat 2001 sammelte die heute 49-Jährige Regierungserfahrungen. Seither hat sie als Widerpart zu Kultursenator Thomas Flierl (PDS) noch an Profil gewonnen. Doch eine Generalistin ist sie genauso wenig wie ihre Kolleginnen.

Zwei weitere Frauen, Lisa Paus und Ramona Pop, hat die Fraktionsspitze aufzubauen versucht. Doch beiden gehört nicht die Gunst der Fraktion. Pop ist jugendpolitische Sprecherin und arbeitet zudem als Haushaltspolitikerin im wichtigsten Themenfeld jedes Parlaments. Die 27-Jährige fiel als einzige Kandidatin bei der jüngsten Fraktionsvorstandswahl im Februar durch. Kein gutes Omen.

Ähnliches zeigt sich bei ihrer Kollegin Lisa Paus. Die wissenschaftspolitische Sprecherin sagte bei den Fraktionsvorstandswahlen 2004 kurzfristig ihre erneute Kandidatur ab.

Auch bei der Suche nach einer SpitzenkandidatIn für die Abgeordnetenhauswahlen liegt bislang vieles im Dunkeln. Für die Wahlen im September 2006 bringen Medienberichte immer wieder die ehemalige EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreyer ins Spiel. Die grüne Vorzeigefrau war im Wendejahr 1989/90 Senatorin für Stadtentwicklung, bis sie 1999 nach Brüssel wechselte, leitete Schreyer schon einmal ein Jahr lang die Abgeordnetenfraktion. Für sie spricht ihr internationaler Ruf. Und der spricht auch dagegen, dass sie wieder in die Fraktionsarbeit einsteigt. Der Gang in die Niederungen landespolitischen Klein-Kleins wird Schreyers Ansprüchen – ihr Interesse vorausgesetzt – kaum gerecht werden.

Eher zeigt die Diskussion um den Namen Schreyer, in welch geringem Maße die Grünen auf die Nachfolgefrage vorbereitet sind. Und die Zeit läuft ihnen davon. MATTHIAS LOHRE