„Wir haben viel gelernt“

Die „Süddeutsche Zeitung“ hat angefangen und uns die aktuelle Flut an CD- und DVD-Reihen eingebrockt. Objektleiter Zeitschriften/Supplements Andreas Tazl (!) über alte Fehler und neue Pläne

INTERVIEW MAX HÄGLER

taz: Es gibt Bücher, es gibt DVDs und bald auch noch eine CD-Reihe mit Popmusik – jetzt hat die Süddeutsche Zeitung beinahe alles verwurstet und zu Geld gemacht. Welche Felder kann der Verlag noch erschließen?

Andreas Tazl: Keine Angst, wir haben viele Ideen. Man kann verschiedene Produkte im gleichen Medium machen, etwa eine neue Buchreihe. Auch bei SZ Wissen können wir viel drumrum bauen: angefangen bei Kalendern über Produkte für Kinder à la Geolino bis hin zu Lexika. Fürs Erste wollen wir aber den gerade eingeführten Titel stabilisieren.

Der Leser hat das Gefühl, bei der SZ immer weniger Tageszeitung zu bekommen, stattdessen immer mehr Beilagen und so genannte Line Extensions, also Produkterweiterungen: Golfen, Bayern entdecken, Wohlfühlen und jetzt SZ Wissen.

Wir haben seit der Krise 2000/2001 gemerkt, dass wir Geschäftsmodelle finden müssen, die unabhängiger vom Anzeigenmarkt funktionieren. Also Produkte, die mit der Marke Süddeutsche Zeitung arbeiten, die die Kernkompetenzen der SZ aufnehmen, aber den konstanteren Lesermarkt im Auge haben. So ist die SZ Bibliothek entstanden, so ist auch SZ Wissen entstanden, als erste von mehreren Line Extensions zur Marke. Wobei die SZ Bibliothek zwar ein Riesenerfolg für unser Haus war, aber es ist eben nichts Verlegerisches, sondern Konsumgut. Dagegen ist SZ Wissen neben dem SZ Magazin und dem jetzt-Magazin unsere große verlegerische Initiative der letzten Jahre.

Verlegerische Initiativen mit SZ Wissen auf der einen Seite stehen Abbau und Defensive bei Tabloid und Jugend auf der anderen Seite gegenüber.

Das jetzt-Magazin musste damals aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt werden, heute gibt es durchaus einige kritische Stimmen im Haus, die anzweifeln, ob das eine richtige Entscheidung war. Aber die Marke ist ja auch noch nicht ganz über den Jordan gegangen – wer weiß, vielleicht kann man aus jetzt mal wieder was machen. Aber sicher nicht mehr als Supplement. Das große Problem damals waren die Streuverluste beim Vertrieb: Nicht alle SZ-Leser entsprachen der jetzt-Leserschaft, das wussten auch die Anzeigenkunden. Das war ein Riesenkostenkiller. Und trotz der Proteste brach der Verkauf nicht so stark ein, dass man die Einsparungen in Frage stellen könnte. Derzeit gibt es zum Thema zwei konkurrierende Arbeitsgruppen im Haus. Ob ein Modell als Kiosktitel umgesetzt wird, kann ich aber noch nicht sagen, das muss knallhart durchkalkuliert werden. Denn noch sind wir nicht so über dem Berg, dass wir unendliche Risiken eingehen können. Wir haben auch das Problem, dass diese Themen nicht so hochpreisig platziert werden können wie etwa SZ Wissen – und wenn man billiger wird, müsste man eine größere Masse erreichen.

Gibt es sonst Ideen, die eigenen Druckkapazitäten besser auszulasten, etwa mit Tabloid-Produkten?

Wir hatten ja die SZ 2 in der Pipeline und auch schon testweise produziert – als tägliche „junge“ Magazinbeilage. Das ist leider nicht komplett finanzierbar über den Anzeigenmarkt, über den Lesermarkt schon gleich gar nicht. Dieses Konzept wurde deshalb wieder verworfen, aber wir haben viel gelernt von unseren Lesern – das fließt jetzt etwa bei den Planungen zu einem Jugendtitel ein.

Auch im Lesermarkt 50plus scheinen andere Zeitungen davonzuziehen, die Münchner Abendzeitung hat inzwischen eine wöchentliche Beilage.

Der Seniorenmarkt ist auch für uns ein wichtiges Thema. Ich sehe es aber derzeit noch nicht als eigenständiges Geschäft, weil der Anzeigenmarkt die Zielgruppe 50plus noch nicht explizit angeht. Und die Tageszeitung an sich hat ja auch schon sehr viele ältere Leser. Und an einen Kiosktitel glaube ich auch nicht. Ältere Menschen sind stark gewöhnt an bestimmte Dinge, da tue ich mich wahrscheinlich sehr schwer, sie zum Kauf eines neuen Magazins zu bewegen.