Linke töten wollen aus Notwehr

Die extrem rechte Kampfsportgruppe Knockout 51 hat in Eisenach Angsträume geschaffen. Es hat Gründe, warum sie weiterbestehen – trotz der Urteile gegen die führenden Köpfe

Neonazigruppen eignen sich Raum an. Parallel breiten sich die Subkultur und queeres Leben in Eisenach zunehmend aus Illustration: Veronika Vonderlind. Veronika (21) studiert Philosophie in Jena und gehört zum Kunstkollektiv Nullachtsechzehn.

Von Gustav Suliak undMowa Techen

Springerstiefel, Glatzen und „Zecken klatschen“: Was ostdeutsche Teens in den 90ern erfahren haben, steht mittlerweile als „Baseballschlägerjahre“ in der Liste der Wendetraumata. Aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Übergänge bei der extremen Rechten von damals zur Gegenwart fließend sind, zum Beispiel in Eisenach.

In der Thüringer Kreisstadt sorgte in den vergangenen Jahren die Gruppe Knock­out 51 für viel Aufsehen. Im Jahr 2015 ging es los. Damals noch als Nationale Jugend Eisenach-Wartburgkreis organisiert, war sie für Sachbeschädigung und leichte Körperverletzung verantwortlich. Erst im März 2019 folgte die Neuaufstellung als Knockout 51. Gemeinsam trainierten rund 20 Mitglieder Kampfsport und ­patrouillierten durch die Eisenacher Weststadt. Als Anführer trat schon damals der Szenebar­betreiber Leon Ringl auf. Ihr erklärtes Ziel war ein „Nazi-Kiez“ und dafür griffen sie die an, die nicht dazu passten: „Assis“, „Ausländer“ und „Zecken“. Es kam zu schweren körperlichen Angriffen.

Das hat auch Chris erlebt. Was ihm passiert ist, wann und wo genau, das möchte er zur Sicherheit nicht öffentlich sagen, genauso wenig wie seinen echten Namen. Im Gespräch mit der taz erzählte Chris, er meide die Eisenacher Weststadt, wenn es denn ginge. Auch andere bestätigen das Bild: Die Gruppe um Leon Ringl mache aus ganzen Straßenzügen Angsträume.

Hinweise darauf, wie es passieren kann, dass sich junge Männer mit faschistischer Gewalt als Lebensmittelpunkt als Ordnungsmacht fühlen können, gibt eine 2021 veröffentlichte Studie des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft. Sie zeigt, wie seit den frühen 90ern die NPD und Neonazigruppen eine international vernetzte rechtsextreme Szene im Bezirk Wartburgstadt in Eisenach aufgebaut haben. Mit einer Mischung aus Straßengewalt, rassistischer und sozialdarwinistischer Stadtteilarbeit, der Etablierung im Stadtrat und dem Kauf von Immobilien eigneten sie sich Raum an – etwa das Flieder Volkshaus, die Zentrale der NPD-Nachfolgepartei Heimat. Neonazis aus dem Westen unterstützte sie mit Ressourcen, vor allem mit Geld.

Demokratie mit Biss

Angesichts der Landtagswahlen würdigte die taz Panter Stiftung das zivilgesellschaftliche Engagement in Thüringen mit dem taz Panter Preis. Die Preisverleihung fand am 23. Juni im Rahmen des taz Panter Forums in Erfurt statt. Berichte darüber, inklusive Graphic Recording von Anaïs Edely der Panels, finden Sie unter: taz.de/panterpreisWir laden Sie herzlich zum nächsten Forum am 24. August in Chemnitz ein!

Doch das ist in Eisenach kaum Stadtgespräch, erzählt Chris. „Wenn ein Thema über lange Zeit in der Presse aufgebauscht wird, führt das zu einer Lethargie bei den Leuten, die es tatsächlich betrifft“, interpretiert Chris die schweigsame Zivilgesellschaft trotz intensiver Berichterstattung.

Was hingegen kaum in bundesweiten Medien auftaucht: Eisenacher Subkultur und queeres Leben. Dabei hat die sich in den vergangenen drei Jahren zunehmend ausgebreitet. Das berichtete etwa Fred, der 2023 den ersten Christopher Street Day (CSD) der Stadt mit­or­ganisiert hat. Auch er möchte aus Sicherheitsgründen nicht, dass sein Name öffentlich wird. Mehr als 500 Menschen zogen durch die Stadt.

„Wenn ein Thema über lange Zeit in der Presse aufgebauscht wird, führt das zu einer Lethargie bei den Leuten, die es tatsächlich betrifft“

Chris, Geschädigter in Eisenach

Was durch Medienberichterstattung ebenfalls laut Chris in der öffentlichen Wahrnehmung fehle: „In Dörfern und Städten bei Eisenach findet man ähnliche Neonazihaufen vor – unsere sind bloß lauter.“ Und doch gefährlicher.

Im Jahr 2022 hatte Ringl eine Schusswaffe mit einem 3D-Drucker hergestellt, kurz darauf nahm die Polizei ihn und drei weitere Köpfe der Gruppe fest. Nach über 50 Prozesstagen urteilte das Oberlandesgericht Jena nun im Juli 2024, Knockout 51 sei eine kriminelle, aber keine terroristische Vereinigung gewesen. Sie bekamen Haftstrafen von etwa zwei oder drei Jahren, deutlich weniger, als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Die besorgten Waffen hätten der Abschreckung gedient, und wenn es in der Gruppe darum ging, Linke zu töten, sei das nur angedachte Notwehr gewesen. Die vier Verurteilten, zentrale Köpfe, kehren nun vorübergehend in die Wartburgstadt zurück. Das Urteil des OLG Jena kommentierte die Antifaschistische Linke Eisenach (Alesa) drastisch: „Blut an euren Händen.“

Mowa (24) und Gustav (22) studieren in Jena, sie Soziologie und Geschichte, er Soziologie und Politikwissenschaften. Für die Hochschulzeitung „Akrützel“ war Gustav beim Prozess gegen die Knockout-51-Bande.