Kommentar von Inga Kunze zum Pay Gap zwischen Ost und West
: Wirklich abgehängt

Als Ossi hat man häufig noch das Klischee der reichen Westdeutschen im Kopf. Wie Frau am Pool vor Bauhaus-Eigenheim liegt und auf Mann im Anzug wartet. Ein zugespitztes Bild. Trotzdem birgt es ein Stück Wahrheit in sich.

Das reichste Prozent besitzt in Westdeutschland durchschnittlich viermal so viel wie vergleichbare Haushalte in Ostdeutschland. Ähnlich ist es bei der ärmeren Hälfte der Bevölkerung: durchschnittlich 24.000 Euro gegenüber 12.000 Euro. Wenn dann gerne (westdeutsche) Medien behaupten, der Ostdeutsche fühle sich abgehängt, übersehen sie einen Punkt: Er ist es auch.

Nicht nur Leistung und Berufsabschluss bestimmen die Gehaltshöhe. Rund 800 Euro hängen davon ab, ob mein Heimatbundesland seit 34 Jahren zur Bundesrepublik gehört oder schon länger. Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst lag 2023 im Westen bei 4.578 Euro, im Osten bei 3.754 Euro.

Niemand hat diesen Unterschied so festgelegt, er hat sich entwickelt. Von den Top-500-Unternehmen sitzen lediglich 42 in Ostdeutschland. Selbst bei denen haben die hohen Posten hauptsächlich Westdeutsche inne. Nach dem Elitenmonitor, einem Forschungsprojekt der Universitäten Leipzig und Jena und der Hochschule Zittau/Görlitz, sind 12 Prozent der gesamtdeutschen Führungspositionen von ostdeutschen Personen besetzt.

Genau diese Ungerechtigkeit sorgt für Frust und Enttäuschung, denn die 800 Euro entscheiden, ob das Kind studiert und eine der wenigen ostdeutschen Führungspositionen besetzt. Ob die Fachkraft in Thüringen bleibt oder doch lieber nach Hessen geht. Wie krisenfest die Familie ist und wie gut sie steigende Energiepreise ausgleichen kann.

Auch wenn es traurig ist: Geld entscheidet über Lebensqualität und Lebenschancen. Genau diese werden durch die 800 Euro Unterschied eingeschränkt. 34 Jahre haben gezeigt, dass es der Markt nicht regelt. Es braucht Mut zuzuhören, aber auch zu handeln. Denn Politik über die Köpfe der Menschen hinweg kennen die Ostdeutschen zur Genüge.

Inga (20), Jenenserin, hat den Wanderweg SaaleHorizontale lieben gelernt und diskutiert (viel zu) häufig über die Ossi-Perspektive.