Claudia Römer
: Susi und Frank forever

Die Sommerödnis in der hessischen Bankenstadt hatte ich mir schöner vorgestellt. Baustellen machten keinen Krach mehr, sondern verharrten nun wie alles andere im totalen Stillstand. Langweilig. Leere U-Bah­nen waren ebenso fad. Ich freute mich, wenn es klingelte und ich für die Nachbarn Bestellpakete annehmen durfte. So weit war es gekommen. Ich starrte aus dem Küchenfenster.

Ungewöhnliche Laute am frühen Abend: „Sie halten zusammen, egal was passiert – 120 Jahre Susi und Frank!“ Der irre Refrain einer nicht erkennbaren Melodie schallte über die Hinterhöfe. Unglaublich, jetzt wurden Leute, die Susi und Frank hießen, schon 120 Jahre alt, wenn wohl auch nur zusammen. Ich kannte sie nicht und schwankte zwischen Abscheu und Bewunderung. Sie hielten zusammen.

Und sie hatten Freunde, die für sie sangen. Das war schön. Dennoch. Es klang furchtbar. Danach ließen sie alle Songs der Achtzigerjahre laufen: „Girls just Wanne have fahan“, Trio mit „Da, Daa, Daaaa“ – und Stephan Remmler mit „Ich hab den Urlaub nicht gewollt. Du hast gesagt, es müsste sein“.

Jaja, bisher hatte auch ich geglaubt, es sei schlau, nicht auf sommerlich verstopften Routen mit anderen um irgendetwas zu streiten. Doch jetzt wollte ich dringend frische Bergluft schnuppern. Es klappte. Ein netter Mensch fuhr mich und sich mit dem Auto in einen beliebten Allgäuer Ferienort.

Da, daa, daaa überholte schon wieder ein Lkw. Just Wanne have fahan! Zur Erholung folgte ein acht Kilometer langer Stau entlang einer „Gespensterbaustelle“. Bestes Sommerwetter, 32 Grad, sagte das Radio.

Das Hotel, das wir über das Internet gebucht hatten empfing uns wärmstens. Über der Rezeption prangte der launige Spruch: „If you want to have breakfast in bed, sleep in the kitchen.“ Nicht schlecht. Das Haus war zudem bei Rauchern sehr beliebt. In kleinen Trauben standen sie überall umher. Nette Menschen. An die Abhustgeräusche im überfüllten Frühstücksraum hatten wir uns rasch gewöhnt. Dort hing zudem eine interessante Bierwerbung: „Der Klügere kippt nach“. Zwei Meter weiter ein gerahmter Spruch: „Das Leben ist kurz, also nimm zuerst das Dessert.“ Und an der Toilettentür stand: „Das WC ist kein Mistkübel.“

Die vielen Botschaften verwirrten uns etwas. Doch die Allgäuer Berge und Wiesen waren wie immer wunderbar. Wir spazierten unablässig umher. Nur der Hunger trieb uns regelmäßig in die lokalen Cash-only-Restaurants, in denen es leider häufig zu voll war. Schnell fand ich jedoch heraus, dass es viel Platz und viel Ruhe gab, wenn wir uns wie Patienten in einem Krankenhaus verhielten: Frühstück um 7 Uhr, Mittagessen um 11 Uhr, Abendbrot um 16.30 Uhr, 20 Uhr Bettruhe. Es war großartig. Nach nur drei Tagen waren wir tiefenerholt.

Nun würden auch wir 120 Jahre alt werden, und zwar richtig, nicht so addiert wie Susi und Frank. Wir hatten den Bogen raus.