kinotipp der woche
: Wo’s um Kohle geht

Mit der Filmreihe „Schlagende Wetter“ widmet sich das Zeughauskino erneut dem Bergbau, diesmal mit Blick auf das internationale Kino

„Winterliche Schweiz“ steht am Eingang des Holzgestells, das Kinder auf einem Jahrmarkt im belgischen Bergbaurevier Borinage zur Rodelsimulation einlädt. An der Seite einer der Planken lässt Domenico den Weg Revue passieren, der ihn als Arbeitsmigrant aus dem nordita­lie­nischen Forlì über Marseille und Paris nach Belgien geführt hat. Paul Meyers „Déjà s’envole la fleur maigre“ (Von den Ästen fällt die verwelkte Blüte) von 1960 wirft anhand einer Gruppe italienischer Arbeiter einen Blick auf die Lebensumstände im Kohlerevier. Der Film hält beklemmenden Realismus, ein komplexes Porträt der Lebenssituation und eine Poesie, die nie in Versöhnlichkeitskitsch umschlägt, in einer fragilen Balance.

Schlagende Wetter: Bergbau im internationalen Film, 23. 8. bis 13. 9. im Zeughauskino

Knapp 30 Jahre vor Meyer dokumentierten auch Henri Storck und Joris Ivens das Elend in der Borinage. In „Misère au Borinage“ (1934) ist die Unterdrückung der Minenarbeiter und ihrer Familien allgegenwärtig. Hand in Hand gehen Besitzer und belgische Polizei gegen jeden Versuch vor, sich Lohnkürzungen, der Entlassung oder der Räumung aus der feuchten Wohnung zu widersetzen.

„Schlagende Wetter. Bergbau im internationalen Film“ zeigt Bergbau als ein Feld, auf dem gesellschaftliche Fragen und Machtverhältnisse ausgehandelt werden: Arbeits- und Wohnbedingungen gegen Gewinnspanne, Verheerungen an Landschaften und Körpern, Ziel für Migrationsbewegungen und Ausgangspunkt neuer Vertreibungen, Projektionsfläche für Fortschrittsglaube und Abgesang an eine Ära fossiler Brennstoffe. Unbedingt sehenswert. Fabian Tietke

Am 30. 8. mit Einführung von Max Grenz: „Misère au Borinage“ (R/B: Henri Storck, Joris Ivens, B 1934) Foto: © Cinematek 43