Stadtgespräch
Anastasia Magasowa aus Chișinău
: Alte Bäume fällen oder viele neue pflanzen: Geht die Republik Moldau zurück in die sowjetische Vergangenheit oder vorwärts in Richtung EU?

Im August ist es in Moldau sehr heiß. In den großen Städten wie Chișinău, Hauptstadt des Landes, sind die Temperaturen um 35 Grad am schwersten zu ertragen. Die Hitze ist so stark, dass der Asphalt schmilzt und der Schatten der Bäume kaum ausreicht, um für Abkühlung zu sorgen. Die für diese Region Europas untypische Hitze ist eine Folge des Klimawandels, aber in Chișinău löst sie auch andere Debatten und Assoziationen aus.

Vor einigen Jahren hat die moldauische Hauptstadt damit begonnen, in großem Stil Bäume zu fällen, die in den 1960er bis 70er Jahren gepflanzt worden waren, als der „Grünfonds“ der Stadt gegründet wurde. Damals galt Chișinău als eine der grünsten Städte der Sowjetunion. Mit der Zeit wurden die 50- bis 60-jährigen Akazien und Ahorne aufgrund ihres Alters und Krankheiten jedoch zu einer Gefahr für Passanten. 2016 erschlug ein umstürzender Baum sogar eine Anwohnerin.

Daraufhin beschlossen die lokalen Behörden mit Unterstützung der Umweltbehörde von Chișinău, alle diese Bäume zu fällen. Dem fielen auch oft recht gesunde zum Opfer, was dazu führte, dass die Straßen im Stadtzentrum buchstäblich kahl waren. Zudem war im Stadthaushalt nicht sofort genug Geld vorhanden, um die gefällten Bäume durch Setzlinge zu ersetzen. All dies führte zu großem Unmut, lenkte die Diskussion jedoch auch auf die globaleren Probleme.

„In anderen Ländern erfolgt die Erneuerung der städtischen Grünflächen schrittweise und geplant. Gibt es in unserem Land keine guten Fachleute mehr, die das Pro­blem der Stadtbegrünung kompetent lösen können?“, schrieb die lokale Presse – eine Anspielung auf die Massenauswanderung, die unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 begann.

Diejenigen, die Moldau Anfang der 1990er Jahre verlassen haben, erinnern sich an Chișinău als grüne und komfortable Stadt. Das geht einher mit einer Nostalgie im Gedenken an die Sowjetunion. „Früher war alles besser, die Menschen waren fröhlicher, das Leben war stabiler. Jeder hatte Arbeit, eine eigene Wohnung, es gab kostenlose Medizin. An Auswanderung war gar nicht zu denken. Die Sowjetrepublik Moldawien und die unabhängige Republik Moldau haben wenig gemeinsam“, so ist es häufig zu hören.

Diejenigen, die in Chișinău geblieben sind, sagen: „Natürlich gibt es Probleme. Aber nur diejenigen, die schon lange nicht mehr hier leben, meckern. Unsere Stadt wird umgestaltet, sie beginnt modern auszusehen, es gibt viel Grün und Springbrunnen in den Parks, die Fassaden der Gebäude werden rekonstruiert. Alte Bäume wurden gefällt, neue gepflanzt, in ein paar Jahren wird alles wieder grün sein.“ Diese Diskussion spiegelt bildhaft die Komplexität der politischen Debatten über die Zukunft des Landes und die Richtung seiner Entwicklung wider.

Die Generation, die sich nach der Sowjetunion sehnt, lehnt die europäische Integration ab. Die Jüngeren ziehen die rumänische Sprache der russischen vor, die ebenfalls viele Menschen sprechen. Sie wählen Politiker, die das Land in die EU führen wollen, auch wenn diese auf dem Weg dorthin Fehler machen. Die proeuropäischen Wähler verschließen oft die Augen vor diesen Fehlern. Das Ziel, ein wohlhabendes und komfortables Leben auf europäischem Niveau, ist den Preis wert.

Es ist wie bei den Bäumen. Die alten, ungeeigneten werden gefällt, weil sie eine Bedrohung darstellen könnten – so wie diejenigen, die sich nach der sowjetischen Vergangenheit sehnen und engere Beziehungen zum modernen Russland wünschen. Gleichzeitig sind viele Fehler, auch im Kampf gegen Korruption, fast so, als würde man gesunde Bäume fällen. Aber am Ende doch Schösslinge zu pflanzen heißt, Reformen auf dem Weg in die EU durchzuführen.

Wessen Wille wird stärker sein? Die Antwort wird das moldauische Volk bei den Präsidentschaftswahlen und dem Referendum über eine EU-Mitgliedschaft im Oktober geben.