Der Norden schwächelt bei der Lobbykontrolle

Die norddeutschen Bundesländer sind bundesweit hinten, wenn es um die Sichtbarmachung von Lobbyismus geht. In einer Analyse von Transparency International bildet Bremen das Schlusslicht. Hamburg schweigt zur Arbeit an einem Lobbyregister

Ein Mann schaut aus dem Hamburger Rathaus auf die Börse, den Sitz der Handelskammer.

Kurze Wege: Blick aus dem Hamburger Rathaus auf die Börse, den Sitz der Handelskammer Foto: Ulrich Perrey/dpa

Von Gernot Knödler

Schlechte Zeugnisse hat Transparency International den norddeutschen Bundesländern ausgestellt. Der gemeinnützige Verein, der sich um Korruptionsbekämpfung kümmert, hat am Dienstag die dritte, aktualisierte Fassung seines Lobbyrankings vorgestellt. Dabei finden sich drei von fünf Nord-Ländern am unteren Ende der Tabelle. Mecklenburg-Vorpommern liegt im Mittelfeld, Schleswig-Holstein in der Spitzengruppe.

„Das Ranking ist ein Instrument, mit dem wir politische Integrität messen“, sagt Norman Loeckel von Transparency International. Ziel ist es, sichtbar zu machen, wer wie politische Entscheidungen beeinflusst. Hier ist aus Sicht von Transparency viel Luft nach oben: Nur drei Bundesländer erfüllen mehr als 50 Prozent der Transparency-Wunschliste – keines liegt im Norden.

Loeckel betrübt besonders, dass die Länder, die beim letzten Ranking hinten lagen, sich am wenigsten verbessert haben. „Man muss sich fragen, ob das politische Bewusstsein angesichts der Herausforderung durch den Populismus von rechts und links reicht“, sagt Loeckel.

Niedersachsen etwa sei durch Nichtstun auf Platz 14 abgerutscht. Bremen hat sich um zwei Prozentpunkte verbessert, bleibt aber mit neun Prozent auf dem letzten Platz. Hamburg hat drei Prozentpunkte zugelegt und liegt mit 20 Prozent auf Rang zwölf. Mecklenburg-Vorpommern verbessert sich um sieben auf 35 Prozent (Rang 7), Schleswig-Holstein um sechs auf 38 Prozent (Rang 4).

Transparency ermittelt die Rangfolge anhand von vier Kriterien, die jeweils zu einem Viertel zählen: Hat das Land ein Lobbyregister? Ist der legislative Fußabdruck sichtbar, das heißt, lässt sich nachvollziehen, wer an einem Gesetz mitgeschrieben hat? Gibt es Karanzzeiten für Abgeordnete und Minister für den Wechsel in die Wirtschaft? Gibt es Verhaltensregeln für die Abgeordneten und Minister – müssen sie etwa Nebentätigkeiten offenlegen?

Niedersachsens rot-grüne Landesregierung hat weder ein Lobbyregister noch stellt sie einen legislativen Fußabdruck zur Verfügung. Dafür gibt es eine 18-monatige Karenzzeit für die Minister und den Ministerpräsidenten, wenn sie einen Job außerhalb des öffentlichen Dienstes annehmen. Über die Erlaubnis entscheidet die Landesregierung.

Das Land erreicht einen durchschnittlichen Wert bei den Verhaltensregeln. Transparency kritisiert jedoch, dass es den Landtagsabgeordneten nicht verboten ist, direkt Spenden anzunehmen und sie diese auch nicht offenlegen müssen.

Auch Schleswig-Holstein hat kein Lobbyregister und erreicht beim legislativen Fußabdruck nur 14 Prozent der möglichen Punkte. Dafür hat das Land 2016 eine 24-monatige Karenzzeit für Mitglieder der Landesregierung eingeführt. Aus Sicht von Transparency ist das schon ganz gut – die Organisation empfiehlt allerdings 36 Monate.

Die Verhaltensregeln für schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete bezeichnet Transparency als vorbildlich. Die Abgeordneten müssen über ihre Berufstätigkeit in den fünf Jahren vor Antritt des Mandats Auskunft geben, über ihre Nebentätigkeiten, Gesamteinkünfte sowie Spenden.

In Hamburg gibt es keinen legislativen Fußabdruck. Der Stadtstaat hat aber als erstes Bundesland eine – mittelprächtige – Karenzzeit eingeführt. Die Verhaltensregeln bewertet Transparency als durchschnittlich. Sie befänden sich allerdings „qualitativ nicht in (sic) einer Stufen zu dem Hamburger Transparenzgesetz, bei dem Hamburg eine Vorreiterrolle einnimmt“. Ihre Tätigkeiten vor Übernahme des Mandats müssten die Bürgerschaftsabgeordneten nur sehr eingeschränkt anzeigen.

Transparency kritisiert, dass der rot-grüne Hamburger Senat die Arbeit an der Transparenz verschleppe. Im Mai vergangenen Jahres hatten die Koalitionsfraktionen SPD und Grüne den Senat beauftragt, ein Lobbyregistergesetz vorzulegen. Das geschah auf Druck von Transparency International und des Vereins Mehr Demokratie, die einen entsprechenden Gesetzentwurf ausgearbeitet und gedroht hatten, einen Volksentscheid herbeizuführen.

„Das Lobbyranking ist ein Instrument, mit dem wir politische Integrität messen

Norman Loeckel, Transparency International

Zum Stand der Dinge antwortete der Senat dem Bürgerschaftsabgeordneten David Stoop (Die Linke), der Senat beabsichtige, „in der laufenden Wahlperiode einen Gesetzentwurf vorzulegen“. Die nächste Wahl ist am 2. März 2025. Die zuständigen Behörden hätten dazu vorgearbeitet. Externe Stakeholder seien nicht beteiligt worden. Transparency und Mehr Demokratie begrüßen, dass an dem Gesetz gearbeitet wird, kritisieren aber „den ganz und gar verschlossenen Umgang mit diesem Vorhaben“.

In Bremen gibt es weder ein Lobbyregister, noch einen legislativen Fußabdruck oder eine Karzenzzeit. So wurde der ehemalige SPD-Senator für Wirtschaft und Häfen, Ralf Nagel, direkt im Anschluss an seine dreijährige Amtszeit Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder. Immerhin, so Transparency, gebe es Verhaltensregeln für Abgeordnete – allerdings mit Mängeln. Nicht umgesetzt sei die Pflicht, vor dem Mandat ausgeübte Tätigkeiten anzuzeigen.

In Mecklenburg-Vorpommern sieht Loeckel „mannigfaltige Baustellen“. Das Land hat ein Transparenzregister statt eines Lobbyregisters. Das sei aber nicht verpflichtend und es würden auch nicht alle wesentlichen Informationen erfasst. Es gebe keine Regelung für einen legislativen Fußabdruck. Das Land veröffentliche jedoch alle schriftlichen Stellungnahmen. Die Karenzzeit für Minister betrage nur ein Jahr und sehe keine Sanktionen vor. Das gelte auch für Verstöße gegen die Verhaltensregeln für Abgeordnete.