das wird
: „Meinungs­freiheit unterliegt Grenzen“

Was soll man im Kontext des Nahostkonflikts sagen dürfen? Darüber diskutiert die Deutsch-Israelische-Gesellschaft in Bremen

Interview Marta Ahmedov

taz: Herr Viellechner, wie blicken Sie als Verfassungsrechtler auf die Kritik, dass propalästinensische Proteste zu harten Repressionen ausgesetzt seien?

Lars Viellechner:Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass es in dieser Diskussion um Grundrechte geht, konkret um die Reichweite der Versammlungsfreiheit und der Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit ist ein besonderes Grundrecht, da sie nicht nur eine individuelle, sondern auch eine kollektive Dimension hat: Der Schutz der freien Meinungsäußerung ist wesentlich für unser demokratisches Gemeinwesen.

taz: Ist die Meinungsfreiheit bedroht, wenn Parolen verboten werden?

Foto: Universität Bremen

Lars Viellechner48, ist Professor für Verfassungsrecht und Direktor des Zentrums für Europäische Rechtspolitik an der Universität Bremen.

Viellechner:Maßnahmen dieser Art betreffen zweifellos die Meinungsfreiheit. Das heißt aber nicht, dass sie deshalb von vornherein unzulässig sind. Denn auch die Meinungsfreiheit unterliegt Grenzen: Insbesondere darf ihr Gebrauch keine anderen Grundrechte verletzen. Volksverhetzung oder die Billigung von Straftaten sind keine legitimen Meinungsäußerungen mehr, weil sie der Allgemeinheit schaden. Wir müssen immer eine Abwägung zwischen den verschiedenen betroffenen Grundrechten treffen und diese so weit wie möglich in Einklang miteinander bringen.

taz: Wie sähe die Abwägung im Fall der umstrittenen Parole „From the river to the sea“ aus?

Viellechner:Das ist ein sehr schwieriger Fall, den auch die Gerichte bisher unterschiedlich beurteilt haben. Im engen zeitlichen Zusammenhang mit den Anschlägen vom 7. Oktober waren viele sich einig, dass die Parole eine rechtswidrige Billigung der terroristischen Angriffe bedeutete. Im letzten Herbst wurde der Spruch aber zusätzlich vom Bundesinnenministerium als Kennzeichen der verbotenen Hamas eingestuft und ist damit schon als solches strafbar. Das halte ich für problematisch, da er auch ohne Bezug auf die Hamas Verwendung findet.

Diskussion „Grenzen der Meinungsfreiheit?“: heute, 19 Uhr, Bremen, Landeszentrale für politische Bildung, Birkenstraße 20/21

taz: Deutet die Unsicherheit der Gerichte auf Rechtslücken hin?

Viellechner:Mit einem solchen Urteil würde ich mich zurückhalten. Ich denke, dass uns die Verfassung einen guten Rahmen bietet, um diese Fragen zu beantworten. Dazu gehört auch, Uneindeutigkeiten auszuhalten und mit Blick auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls sorgfältig zu klären.