wortwechsel: Muss Fliegen teurer werden?
Bürgerliche Mittelschicht reagiert reflexhaft auf die Forderung, sich bei Flugreisen zu beschränken, meinen Leser: Zum Austausch mit Zivilgesellschaften braucht es keine Flüge
Lyrische Vergleiche
„Wer Frauenkörper mit Obst vergleicht, verdient es, beim Kirschenessen auf eine Hornisse zu beißen“,
wochentaz vom 3.–9. 8. 24
Wer in vermeintlich „wokem“, juvenilem Überschwang allen angeblichen MissetäterInnen einen unangenehmen Erstickungstod an den Hals wünscht, sollte einmal zur Abkühlung den in derselben Ausgabe auf Seite 13 erschienen Artikel von Till Schmidt lesen, „Jenseits manichäischer Weltbilder“.
Im so angesagten woken Bildersturm, der in manchen Auswüchsen schon an Maos „Kulturrevolution der frühen 1960er Jahre erinnert, möchte die Autorin einen neuen Kehraus in unserer Sprache befördern und bestimmte lyrische Vergleiche und Metaphern am besten sofort beseitigen. Hallo geht’s denn noch? Das wäre der Tod jeder Romantik, jeder Poesie – man denke nur an das Hohelied Salomos, an die Liebeslyrik des persischen Dichters Rumi, an die vielen wunderbaren Gedichte von Goethe bis Bukowski!
Jürgen Schierholz, Bremen
Grautöne
„Ist Grillen undeutsch?“,
wochentaz vom 3.–9. 8. 24
Peter Unfried findet jenseits von „großer Geste“ und „dekonstruierender Ironie „das fragende Aufeinander-Zugehen, und ich nehme es ihm ab. Möchte nur gerne rufen: Ha! Wie erfreulich, dass „ihr“, VertreterInnen des schwarz-weißen Verstandes-Journalismus in der Tradition von Aufklärung und 1968, die ihr Leute wie „uns“, damit meine ich die mit den leiseren Zwischentönen, lange mindestens verlacht und ironisiert, gerne aber auch zu gefährlichen Verschwörungs-Esoteriker*innen erklärt habt, endlich ebenfalls die Grautöne als demokratischen Raum der Sprechfähigkeit entdeckt.
Lasst uns zusammen die Feinde der Demokratie klar fokussieren, während wir das zivilisierende Gespräch pflegen und ausweiten! Kathleen Battke, Bonn
Kontingentierung
„Soll die taz noch abheben?“,
wochentaz vom 3.–9. 8. 24
Wenn die taz auf Reiseangebote verzichtet, geht ihre Welt nicht unter und die Völkerverständigung ebenfalls nicht. Aber es gibt die Chance auf eine Diskussion darüber, wie sich die Menschen erholen können, Erfahrungen sammeln können, ohne dass das Klima darunter leidet.Es geht nicht darum, gar nicht mehr zu fliegen. Die moralische Aufladung erfolgt durch die Gegenseite! Sie produziert Gut und Böse, um dann denen, die als „gut“ markiert werden, dieses vorzuwerfen. Das nennt man Verschiebung von Verantwortung.
Diese Unterstellung ist auch ein beliebtes und populistisches Alibiargument, sei es beim Fleischkonsum, in der Modeindustrie oder bei der Tempobegrenzung. Es geht um Klimaschutz und Klimagerechtigkeit. Wie können gerechte Lösungen aussehen, ohne dass wir Kompromisse mit Ausnahmen für Privilegierte verwechseln?
Nach allem, was ich weiß, bin ich bei so einer existenziellen Frage für eine Kontingentierung. Darauf könnten sich die Menschen einstellen und dann eine wirkliche Reise machen. Das wird selbstverständlich nur funktionieren, wenn es Gerechtigkeit gibt. Dazu gehören die Besteuerung von Kerosin, das Verbot von Privatjets, Verbot von Kurzflügen.
Jeannette Kassin, Hamburg
Klimawandel
„Soll die taz noch abheben?“,
wochentaz vom 3.–9. 8. 24
Ich bin eine junge Mutter aus Thüringen und beschäftige mich schon seit einiger Zeit mit dem Klimawandel und den für die Welt und unsere Gesellschaft daraus resultierenden Folgen. Mit großer Freude verfolge ich dabei die ausführliche Berichterstattung der taz. Auch dieses Streitgespräch war wieder – so finde ich – ein sehr guter Artikel!
Gerade solche Artikel kann man gut auch an Freunde weiterleiten, welche den Einstieg in die Debatte noch nicht gefunden haben. Vielen Dank dafür – gerne mehr davon! Elisa Busch, Jena
Schmerzhafter Verzicht
„Soll die taz noch abheben?“,
wochentaz vom 3.–9. 8. 24
Um Empathie für die Angehörigen der Hamas-Geiseln und der Gaza-Opfer zu empfinden, muss ich nicht dorthin fahren. Gegenteilige Behauptungen gehören einfach nur in die unendliche Phalanx der mehr oder weniger kreativen Ausreden gegen die unausweichlichen Forderungen „Suffizienz und eine neue Sesshaftigkeit“ (Nico Paech, Wachstumskritiker).
Die Empathie ist auch nicht wirklich glaubwürdig, wenn man gegenüber den Leidtragenden das auch sie treffende Klimadesaster nach Kräften vorwärtstreibt. Der Verzicht ist natürlich schmerzhaft, zumal das Konzept der taz-Reisen hervorragend ist und unter allen sogenannten „Leserreisen“ ein qualitatives Alleinstellungsmerkmal hat. Es muss jedoch auch keineswegs verschwinden: mit einem praktizierten Slogan „taz-Reisen – klimabewusst“ käme sogar noch ein weiteres hinzu.
Rolf Oesterlein, Nieder-Olm
Vernunft vs. Kulturkampf
„Wir unperfekten Menschen“,
wochentaz vom 3.–9. 8. 24
Fliegen in den Urlaub ist eigentlich überflüssig, denn in diesen Orten führt der Tourismus zum Nachteil für die Einheimischen: teure Mieten, fehlendes Frischwasser, Berge von Müll.
Perfektion statt Verantwortung für sein Handeln übernehmen ist für viele eine individuelle Überforderung, die eigentlich staatliche Regeln notwendig macht – diese Alternative ist denkbar, doch die Politik schaut dabei unbeteiligt zu. Wer das Klima und die Ahrtal-Toten in Zukunft retten will, der befindet sich nicht im Kulturkampf – sondern kämpft mit der Vernunft.
Thomas Bartsch Hauschild, Hamburg
Internationalismus
„Wir unperfekten Menschen“,
wochentaz vom 3.–9. 8. 24
Nachdrücklich unterstütze ich die Argumente von Christian Jakob und Bernhard Pötter! Die persönlichen Einblicke, Eindrücke und Begegnungen sind eine unschätzbar wertvolle Hilfe bei der Vernetzung internationaler Kontakte und Unterstützungsaktionen – Internationalismus war doch mal Konsens im taz-Universum..
Vielleicht noch ein Detail: Für die taz-Reisen müssen die Teilnehmenden meines Wissens ihre An- und Abreise selbst organisieren; es bleibt also jede:r/m unbenommen, statt zu fliegen, mit Fahrrad, Auto, Bahn oder Schiff zu reisen. Stefan Müllers Vorgehen sehe ich als unterkomplex und als Erpressung.
Conny Voester, Berlin
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