„Die Renaissance der Atomkraft verhindern“

Atomkraftgegner Matthias Eickhoff über Castortransporte per LKW, die Freude der Atomlobby über einen möglichen Regierungswechsel im Bund und den ersten Wortbruch des designierten CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers

taz: Sachsens CDU-Umweltminister Stanislaw Tillich erklärt die ab Montag rollenden Castor-Transporte für ungefährlich und warnt vor Hysterie. Sind Sie hysterisch?

Matthias Eickhoff: Von Hysterie kann keine Rede sein. Tillich selbst handelt unverantwortlich, spielt die tatsächlichen Gefahren herunter. Der Minister geht von LKW-Schönwettertransporten aus: Unfälle, Reifenpannen, Motorschäden oder Brände sind nicht vorgesehen.

Welche Gefahren drohen dann?

Die Castoren enthalten insgesamt 54 Kilogramm kernwaffenfähiges Uran 235, dazu kommen zwei Kilo hochgiftiges Plutonium. Ein Szenario aber, in dem ein Fahrer die Kontrolle über seinen LKW verliert, indem er etwa vor einen Betonpfeiler prallt, ist nie durchgespielt worden. Sogar die Brennelemente könnten dabei durcheinander gewirbelt werden – das zeigt doch, wie schlampig und verantwortungslos die Transporte vorbereitet wurden.

Dennoch klingt Ihre Forderung, die Castoren einfach in Rossendorf bei Dresden stehen zu lassen, lokalpatriotisch und provinziell.

Auch die sächsischen Anti-Atom-Initiativen halten die Transporte für unsinnig. 18 Castoren werden jetzt ins Münsterland gekarrt, obwohl klar ist, dass der Atommüll wieder weg muss. Dabei bestätigt selbst die Atomlobby, dass die Lagerhalle in Rossendorf genauso sicher oder unsicher ist wie das Ahauser Zwischenlager. Außerdem befürchten wir, dass Ahaus mangels Alternativen schleichend zum Endlager werden könnte – nach dem Motto: was hier ist, das bleibt auch hier. Klar ist aber: Wir demonstrieren gegen alle gefährlichen Atommülltransporte, etwa in die Wiederaufbereitungsanlage La Hague. Jeder Transport ist einer zu viel.

Da könnten Sie künftig aber viel zu tun haben: CDU und FDP kündigen bereits den Ausbau der Atomenergie an.

Die Ankündigung von Neuwahlen im Bund hat auch unser politisches Koordinatensystem verschoben. Natürlich steht unser Protest gegen die Castoren unter dem Motto: Stoppt die Renaissance der Atomkraft! Natürlich wenden wir uns auch gegen den Ausbau oder gar Neubau von Atomanlagen. Dennoch haben wir auch den rot-grünen Atomkonsens nicht wirklich begrüßt: Die Atommülltransporte liefen trotzdem weiter, und die Urananreicherungsanlage Gronau wird ausgebaut.

Aber mit der CDU wird doch nichts besser?

Der künftige CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hat im vergangenen Jahr gefordert, ohne Klärung der Endlagerfrage dürfte kein Castor mehr nach Ahaus gebracht werden. Wenn er gegenüber seinen sächsischen Parteifreunden jetzt nicht schnell ein Veto einlegt, ist das Rüttgers erster Wortbruch.

INTERVIEW: ANDREAS WYPUTTA