Lebenslänglich Grün-Weiß

Fußballer-Transfairs kommen im Sommer so sicher wie Sakro-Pop auf dem Kirchentag. Derzeit entzündet sich die Erregung am Umzug des Bremer Abwehr-Chefs Valérien Ismaël nach München

Ein Geheimnis bleibt, dassknapp zehn MillionenEuro fließen

von Benno Schirrmeister

Das schönste an der Sommerpause: Die Bundesliga geht weiter. Zumindest virtuell. Natürlich wird nicht gespielt, und das gemeinsame Chill-out der Mannschaften an den schönsten Stränden Europas – das ist uninteressant. Aber die Liga-Partien sind ohnehin nur der Ankergrund für die emotionalen Wallungen der Fans. Zur vollen Entfaltung kommen die aber, wenn es Wechselgerüchte gibt.

Die kommen im Sommer so sicher wie schmusiger Sakralpop auf dem Kirchentag. Und sie kommen meist aus Bremen, weil man dort sehr kaufmännisch denkt, und weiß: Ein Spieler kann seinen Marktwert innerhalb von knapp zwei Jahren zwar mehr als verzehnfachen, so wie der 2003 für schlappe 700.000 Euro an die Weser gewechselte französische Innenverteidiger Valérien Ismaël. Aber irgendwann ist Sense. Klar, der Mann aus dem Elsass ist derjenige im Team, der am meisten Siegeswillen hat. Auch kann er die Mitspieler damit infizieren. Und dann: Dieser Antritt! Dieses übergangslose Umschalten von der Blockade auf Spiel-Eröffnung! Diese unwiderstehlichen Solo-Läufe übers Feld. Aber fast zehn Millionen Euro für eine Defensiv-Kraft – das ist viel. Und noch einmal so ein Angebot bekommt man sicher nicht so schnell.

Also wird Bremens Abwehr-Chef nach München ziehen, zumal er schon im März Lust auf einen Wechsel dorthin signalisiert hat: Bayern-Manager Uli Hoeneß hat bestätigt, ein Angebot unterbreitet, und Werder-Sportdirektor Klaus Allofs, eines erhalten zu haben. Die Ablöse-Summe – der Vertrag läuft bis 2007 – wird nicht genannt. Dass es fast zehn Millionen sind, soll schließlich geheim bleiben.

Die Anhänger neigen in solchen Fällen dazu, Schimpf und Schande über den Wechsler zu häufen. „Sollte die Diskussion aus dem Ruder laufen“, warnt der Moderator des Werder-Fan-Forums schon einmal vor, „müssen wir hart durchgreifen“. Die Erregung wächst trotzdem. Sie teilt sich Anhängern anderer Clubs mit, weil deren Spieler als möglicher Ersatz gehandelt werden, Per Mertesacker von Hannover 96, Daniel van Buyten vom Hamburger SV. „Wir geben Mertesacker auf keinen Fall ab“, hat 96-Präsident Martin Kind dem lukrativen, aber imaginären Angebot der Bremer für den Jung-Star eine Absage erteilt.

Bei Unternehmen, die ähnliche Umsätze bewegen, sind solche Wechsel kaum seltener. Nur bleiben dort Hass-Sprüche aus, und keiner würde von Menschenhandel sprechen. Was dort fehlt: Die neurotische Bindung. Die Fans betrachten die Spieler als Besitz. Und würden sie, weil sie ihnen so herzlich zugetan sind, gerne zu lebenslänglich Grün-Weiß verurteilen oder anderen Vereinsfarben. Dass die ohne geschickte Transfer-Politik rasant verblassen würden, wird verdrängt. Dabei würde der Blick nach Hannover reichen: Dort kauft man gerne teuer ein, ist aber zögerlich beim Abgeben. Und sportlich rutscht man stets zwischen Abstiegszone und Tabellen-Mittelfeld herum. „Eigentlich“, hat Uli Hoeneß etwas wurstig gesagt, „müsste uns Werder dankbar sein.“ Er ist halt gerne eine Hassfigur in Bremen. Recht gehabt hat er aber doch.