Irre Grenzen

Die osmotischen Platten Brigitte Waldachs im Westwerk weisen keinen verlässlichen Weg aus Traum und Realität

Schwarze Löcher als Auswege aus kleinen EinsamkeitenGlasscheibenspiele nach frei flottierenden Regeln

Ein Mädchen schaut in ein schwarzes Loch. Ein Tor zum Paralleluniversum. Was sich gleich wie ein Science Fiction-Film anhört, ist in Wirklichkeit die aktuelle Ausstellung „Schwarze Löcher“ von Brigitte Waldach im Westwerk.

16 lebensgroße Zeichnungen von Figuren hat sie auf 2,5 mal 1,5 Meter großes Plexiglas gedruckt und diese Platten in den Raum gehängt. Dabei ist ein eigenartiges Labyrinth aus Zeichnungsgrenzen entstanden, durch die der Besucher hindurchirren kann. Da stochert zum Beispiel ein Mann mit einem Stock forschend in einem Loch herum. Ein anderer streckt vorsichtig die geöffnete Hand hinein. Neugierig erfahren sie einen Moment des Bei-Sich-Seins. Anderswo sitzt eine Frau lässig wartend in der Hocke. Hinter ihr ragt ein Stock aus einem schwarzen Oval und scheint sie an den Händen zu berühren, aber offensichtlich hat sie diesen Vorstoß noch nicht bemerkt.

Jede Figur scheint ein wenig allein in diesem Raum – und vollauf mit dem Moment beschäftigt. Doch manchmal wird diese Einsamkeit gebrochen: Dann streben sie aus dem schwarzen Loch heraus, die Figuren. Denn es gibt etwas hinter diesem ovalen Nichts, das Kontakt aufzunehmen wünscht. Vielleicht sind diese schwarzen Löcher Schnittstellen oder so etwas wie Platzhalter für Erfahrung oder Forderungen nach Kommunikation. Mal erheiternd, mal anregend – und manchmal stehen sie für etwas Unbekanntes, dass man noch herausfinden muss.

Für den Besucher stellt sich in der Installation ein faszinierendes Ganzes her: Durch das transparente Plexiglas sind alle Figuren gleichzeitig anwesend und erzeugen durch ihre räumliche Verdichtung einen Marktplatz vielfältiger Handlungen. Man spaziert durch diese Installation, stellt sich hier neben eine Frau oder beobachtet dort ein Kind und schwelgt in Geschichten. Brigitte Waldach bietet durch ihre Zeichnungen ein narratives Angebot, das geschickt die Bildmaschine des Betrachters bedient und fordert dabei die persönliche Historie. Und so phantasiert man sich durch dieses Sammelsurium von gleichzeitigen Handlungen und ist aus dem Bild herausgeflogen in den eigenen Kopf.

Torsten Bruch

Di–Fr 16–19, Sa 11–14 Uhr, Westwerk, Admiralitätstr. 74; bis 4.6.