Frau Brose darf alles

Der Hamburger Senat verteidigt Auftritt einer Lehrerin während der Unterrichtszeit für die CDU. Weil es hier um „Pädagogisches“ gegangen sei, habe man „im Einzelfall“ eine Ausnahme gemacht

Von Kaija Kutter

„Im Einzelfall“ geht alles. Auf diese Formel zieht sich der Senat in der Antwort auf eine kleine Anfrage der SPD-Abgeordneten Luisa Fiedler zum Verhalten der Studienrätin Karin Brose zurück. Die Lehrerin hatte am 3. Mai während der Unterrichtszeit auf einer CDU-Pressekonferenz für die Einführung von Schulkleidung geworben und extra eine ihrer Schülerinnen als Fotomodell mitgebracht (taz berichtete).

Fiedler wollte nun wissen, ob erstens Lehrer während der Unterrichtszeit an Parteiveranstaltungen teilnehmen und sie zweitens dafür auch noch ihre Schüler anwerben dürften. Letzteres beantwortet der Senat mit „Nein“, verweist aber „im Übrigen“ auf die Antwort auf erstere Frage, in der es lapidar heißt: „Das hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.“

Fiedler fand dies nicht befriedigend und sprach die Sache vorgestern in der Fragestunde der Bürgerschaft an. Schul-Staatsrat Reiner Schmitz wollte im Brose-Auftritt aber kein Problem sehen, handle es sich bei der Werbung für Schulkleidung doch eher um ein „pädagogisches“ als um ein politisches Thema. Weshalb GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch nachhakte, ob sich Lehrer und Schüler dann auch „aus pädagogischen Gründen“ vom Unterricht befreien lassen könnten, um für die grüne Gemeinschaftsschule „9 macht klug“ zu werben. Schmitz‘ Antwort: Ja, wenn es sich um einen pädagogischen Auftritt handle – es komme allerdings „auf den Einzelfall“ an.

Für Gelächter bei SPD und GAL sorgte die Begründung des Staatsrats dafür, dass Brose ihre Schüler zwei Stunden zu früh nach Hause geschickt hatte, um an dem CDU-Termin teilnehmen zu können: „Sie hatten den Arbeitsauftrag, die häuslichen Essgewohnheiten zu erkunden.“

Der Senat versuche hier, Engagement für die CDU mit „höheren pädagogischen Weihen“ zu versehen, resümierte Luisa Fiedler. Im übrigen sei es „nicht ohne Pikanterie“, wenn Frau Brose sich so verhalte. Sei sie es doch, die in ihrer Abendblatt-Kolumne „gern und drastisch“ schildere, wie schwer es sei, Schüler zur engagierten Unterrichtsteilnahme zu bewegen. Fiedler: „Wenn man Schülern vermittelt, dass es Wichtigeres gibt als Schule und für Privatinteressen den Unterricht ausfallen lässt, dann sollte man sich über die eigene Vorbildfunktion nicht wundern.“

Der von Brose beworbene Antrag war am Mittwoch von der Bürgerschaft verabschiedet worden. Er ersucht die Bildungsbehörde, mit einer Broschüre für Schulkleidung zu werben. Brose selbst hat an ihrer Sinstorfer Haupt- und Realschule bislang 340 Schüler eingekleidet. Sie erklärte bei der CDU, sie wolle Kinder nicht zwingen, sondern „überzeugen“, diese Kleidung zu tragen, driftete dabei aber sprachlich ab. So sprängen die, die „mehr zwischen den Ohren haben“ sehr viel schneller auf ihr Angebot an. „Probleme“ habe sie bei manchen Hauptschülern und „ethnisch anderen Kindern“.