Unerhörtes hören

Ausstellung im Focke-Museum lässt Gegenstände über ihre Geschichte sprechen. Können Dinge lügen?

Bremen taz ■ Die Flasche Weißwein fügt sich unauffällig in die anderen Gegenstände des Schaumagazines, die unter dem Buchstaben F wie Feiern im Focke-Museum zusammengetragen sind. Nur der rote Samtläufer, auf dem sie steht, unterscheidet sie von den Bremer Ausstellungsstücken. Gespickt mit zahlreichen Daten erläutert eine ausführliche Texttafel, dass der Wein eigentlich ein Rotwein ist: Weil ein sehr lebhafter Pfarrer aus Unbeholfenheit sein Messgewand regelmäßig mit Messwein besprengte, kelterte der Dorfwinzer kurzerhand mit Hilfe einer neuen Methode weißen Wein aus roten Trauben.

Der weiße Rotwein ist einer von 50 Gegenständen, deren Herkunft und Geschichte so unerhört ist, dass man sie fast literarisch nennen könnte – lieferten die Texttafeln nicht mit Daten und Verweisen auf wissenschaftliche Quellen schlüssige Erklärungen. Die Gegenstände stammen aus dem Berliner „Museum der unerhörten Dinge“, das versucht, ihnen ihre Geschichte „abzulauschen“.

Dass er den Dingen Geschichten andichte, verneint der Direktor des Museums, Robert Albrecht. „Letztlich ist die Frage nach Fiktion und Realität eine Glaubensfrage“, beschreibt der Künstler und Fotograf seine eigenwillige Ausstellungskonzeption. Ob das von ihm ausgestellte Kristall etwa wirklich versteinertes Eis sei, müsse jedeR selbst entscheiden. Eingeladen wurde er mit seinen unerhörten Dingen zum Internationalen Symposium „Verkupplungstaktiken – Aktuelle Positionen in der Kunst- und Kulturvermittlung“, das nächste Woche im Focke-Museum tagen wird. Zwei Wochen lang werden sich die Ausstellungsstücke aus Berlin zwischen die Exponate des Schaumagazins einreihen.

„Sie sind eine schöne Ergänzung“ findet der Leiter des Focke-Museums, Jörn Christiansen. Während das Focke-Museum die Assoziationen seiner BesucherInnen mit Informationsmonitoren auf wissenschaftlich fundierten Boden bringt, lebt die Provokation der unerhörten Dinge von den wissenschaftlich anmutenden Geschichten, die Albert ihnen „abgehört“ hat. Die böhmische Herkunft des seemännischen „Ahoi“-Rufes, noch etwas Unerhörtes, wirkt zwar skurril – aber nicht zu skurril, um nicht Wirklichkeit zu sein.

Tanja Krämer

Das Museum der unerhörten Dinge ist bis zum 12.5. Gast im Focke-Museum