Senatorin droht Vertrauensbeweis

Bremens Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) muss sich einem Misstrauensvotum der Bürgerschaft stellen. Dass eine einzelne Ministerin damit angegriffen werden kann, ist eine verfassungsrechtliche Besonderheit

Auf dem Kieker der Opposition: Sascha Aulepp (SPD), Bremer Senatorin für Kinder und Bildung Foto: Sina Schuldt/dpa

Von Benno Schirrmeister

Die Presse freut sich. Noch ist die nachrichtenarme Zeit nicht beendet in Bremen und umzu. Noch haben die politischen Gremien und die senatorische Verwaltung die Betriebstemperatur nicht erreicht. Aber am Montag gibt es ein Misstrauensvotum in Bremen gegen die Bildungssenatorin Sascha Karolin Aulepp (SPD). Und das macht deren routinemäßige Schuljahresbeginnpressekonferenz auf einmal zum Premiumtermin. Da geht sogar die taz hin.

Die drei Top-News in Kürze: „Schule hat begonnen“ – ein Slogan, den die deutsche Verkehrswacht schon in den 70er-Jahren auf Aufkleber druckte, die sich mit Schere und Fantasie unter Verlust eines „S“ in den Spruch „Egon hat Beulchen“ umformen ließen. Zweitens: Für jedes schulpflichtige Kind gibt’s in Bremen mindestens eine Sitzgelegenheit an einem Tisch in einem Klassenzimmer, der notfalls mit untergelegtem Bierfilz wackelfrei gemacht werden kann. Angesichts eines Zuwachses von 5.000 Schü­le­r*in­nen seit Sommer 2022 sei es „eine große Leistung auch der Schulen hier in Bremen, dass das funktioniert hat“, sagt Aulepp. Und drittens: Lehrkräfte fehlen, aber in der Stadt Bremen nur ganz ­wenige.

Von rund 4.300 Stellen sind nur 75 unbesetzt geblieben, 11 weniger als im vergangenen Schuljahr. „Da bin ich richtig stolz drauf“, sagt die Senatorin. In Bremerhaven sei die Lage hingegen nicht so dolle, räumt sie ein. In Bremerhaven ist der Mangel ausgeprägter: Dort fehlen für zehn Prozent der insgesamt 1.400 Stellen Personal. Aber dafür ist ja die Seestadt selbst zuständig.

Angesichts der gravierenden Bildungsprobleme im Land Bremen wäre eine leichte Überversorgung politisch erwünscht: Als Ziel festgeschrieben hat man eine Quote von 105 Prozent im sogenannten Schulkonsens. Der wurde 2009 mit der oppositionellen CDU geschlossen und 2018 verlängert. Die jetzigen Zahlen sind also kein Grund zum Jubeln, aber auch keine Munition in der Personaldebatte. Die hatte sich am internen Umgang mit Finanzen entzündet: Wie das Sozial- und das Umweltressort hatte auch Kinder und Bildung eine Ausgabensperre verhängen müssen. Die im Haushaltsplan vorgesehenen Gelder waren schon durch Pflichtaufgaben und grotesk niedrig angesetzte Energiekos­ten verausgabt worden.

Die Option, einzelne Regierungsmitglieder abzuwählen, ist staatsrechtlich eine Seltenheit. Es handelt sich um eine Sonderform des destruktiven Misstrauensvotums. Ein Misstrauensvotum heißt: Die Mehrheit der Abgeordneten spricht sich in geheimer Abstimmung gegen die Regierung aus. Destruktiv bedeutet in diesem Fall: Es muss keine Mehrheit für einen Gegenvorschlag vorhanden sein. Nur die Länderverfassungen von Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Bremen sehen die Möglichkeit der Ministerabwahl vor.

Sie hängt in Bremen damit zusammen, dass die Minister auch einzeln ins Kabinett gewählt worden sind. Das hat Auswirkungen auf dessen Hierarchie: So ist Bremens Senat ein Kollegial­organ, das aus seiner Mitte die Bür­ger­meis­te­r*in­nen wählt. Der Präsident des Senats, Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD), hat folgerichtig zwar den Rang eines Ministerpräsidenten – aber keine Richtlinienkompetenz.

Das Misstrauensvotum ist in Bremen vergleichsweise häufig –und sehr häufig erfolglos –im Einsatz. So hat die Bremer CDU bereits 2008 und 2016 mit Anträgen gegen Ingelore Rosenkötter (SPD) und Karoline Linnert (Grüne) jeweils ein weibliches Senatsmitglied versucht abzuschießen: Wenn der Achtjahres-Rhythmus beibehalten wird, ist bis 2032 kein neuer Versuch zu erwarten. Insgesamt sind in den vergangenen 25 Jahren von sechs Misstrauensvoten gegen Bremer Se­na­to­r*in­nen sechs gescheitert.

Justizminister Filippo Mancuso zog ob seiner mafiafreundlichen Politik 1995 das erste Ad-personam-Misstrauens­votum in der Geschichte der Republik Italien auf sich: 173 Stimmen pro!

Indira Gandhi nährt mit 15 no confidence motions in 15 Jahren den Verdacht, dass dieses Instrument auch einer Geschlechterlogik folgt.

Scott Morrison: Australiens Parlament hat dem bereits abgewählten Ministerpräsidenten 2022 nachträglich das Misstrauen ausgesprochen.

Durch Rücktritt hat Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) 2006 den möglichen Erfolg eines von den Grünen eingebrachten Misstrauensantrags verhindert. Der damalige Koalitionspartner hatte die Senatorin nach dem Tod des Kleinkindes Kevin massiv kritisiert.

Eine Senatorenabwahl verzeichnet die jüngste Bremer Geschichte aber doch: Dem grünen Umweltsenator Ralf Fücks das Vertrauen zu entziehen, hatte 1995 der Koalitionspartner FDP beantragt. Die Liberalen errangen einen Pyrrhus-Sieg: Die Ampel-Koalition war damit Geschichte. Und bei den sich anschließenden Neuwahlen stürzte die FDP von 9,5 auf 3,4 Prozent ab.