kinotipp der woche
: Mikokosmos Stadtentwicklung

Die „Gustav-Adolf-Straße“ in Weißensee zwischen Anwohnerinitiativen, Immobiliengeschäften und lokaler Politik

Während der Leierkasten die Melodie der „Berliner Pflanze“ tutet, füllt sich der Caligari-Platz allmählich mit Ständen. Es ist Straßenfest in der Gustav-Adolf-Straße in Weißensee, unermüdlich organisiert von der Interessengemeinschaft Weißenseer Spitze. Am Rande des Festes befragen Joris Rühl und Tawan Arun alte und neue Anwohner_innen. 2013 fanden die beiden im Zuge der Gentrifizierung einen Büroplatz in der Straße und begleiteten den Prozess mit der Kamera – bis sie schließlich dem Vorschlag der Bewohner_innen nachkamen, einen Film über die Vergangenheit der Straße zu drehen.

Dokumentarfilm „Gustav-Adolf-Straße, Berlin“, OmU, 10.+11. 8., 16 Uhr, Brotfabrik, Caligariplatz 1

Und so erinnern sich diese an die Vergangenheit als lokale Einkaufsstraße, die bis in die DDR überdauerte, beschwören in der älteren Generation Stereotype von Ost und West und konstatieren in der jüngeren Generation den Kaufkraftunterschied zwischen alteingesessener Bevölkerung und ehemaligen Bewohner_innen des Prenzlauer Bergs, die auf der Flucht vor Mietsteigerungen hier gelandet sind. Jörg Fügmann von der Brotfabrik sieht es so, dass die Straße und Teile der Umgebung die Phase einer „urbanen Entwicklung mit Kunst, mit Wildheiten, mit Besetzungen“, die viele Gegenden Berlins seit dem Fall der Mauer durchlaufen haben, übersprungen haben und direkt zum Immobilieninvestorenparadies geworden ist.

„Gustav-Adolf-Straße“ ist bisweilen etwas kleinteilig, eben darin aber eine sehr anschauliche Mikrostudie. „Gustav-Adolf-Straße“ zeigt Stadtentwicklung, historische Entwicklung und lokale Politik als so kleinteilig, mühselig und langsam im Wandel, wie sie nun mal ist. Fabian Tietke

„Gustav-Adolf-Straße, Berlin“ (R/K: Tawan Arun, Joris Rühl, D 2024) Foto: Tawan Arun & Joris Rühl