Osman Engin
Alles getürkt
: Cockpit-Cocktail

Jedes Jahr im Sommer bin ich nicht nur urlaubsreif, sondern krankenhausreif! Ein Jahr Überstunden in Halle 4 hinterlassen Spuren – nicht nur positive. Deshalb muss ich schon einige Medikamente gegen all meine Wehwehchen mit in den Türkei-Urlaub nehmen. Das wiederum veranlasst meine Frau Eminanim einige Sprüche abzulassen – nicht nur positive.

Am Flughafen muss ich Strafe für zwei Kilo Übergewicht bezahlen. Aber sie erlauben mir trotzdem nicht, meine flüssigen Medikamente mitzunehmen, aufgrund luftsicherheitsrechtlicher Bestimmungen, wie sie es großspurig formulieren. Weil von denen angeblich Terrorgefahr ausgeht. Meine teuren flüssigen Medikamente könnten plötzlich anfangen wie billige Chinaböller zu explodieren. Ich habe Angst vor dem Flugzeug, und das Flugzeug hat Angst vor mir. Ich muss vor den Augen der Flughafenpolizei alle meine Hämorrhoiden- und Durchfall-Tropfen und dazu noch Eminanims Medikament gegen Wechseljahre auf Ex trinken. Irgendjemand muss doch diesen hysterischen Leuten beweisen, dass man mit Durchfall-Tropfen keine Bomben bauen kann.

Die Tabletten, die ich dann an Bord kurz nach dem Start gegen Flugangst und Ohrensausen einnehmen muss, wirken natürlich nicht mehr besonders. Ganz im Gegenteil! Mir wird total schlecht! Und die Tabletten, die ich dann gegen Übelkeit einnehme, bewirken das Gegenteil. Aber der gefühllose Pilot weigert sich hartnäckig, in Nürnberg notzulanden! In Wien auch nicht! Auch nicht in Belgrad. In Sofia erst recht nicht – mit der billigen Ausrede, dass wir sowieso gleich in Istanbul seien und so schnell würde ich ja wohl nicht krepieren!

„Wer will denn nach Istanbul? Wir fliegen doch nach Izmir oder sind wir entführt worden?“, rufe ich geschockt.

„Keine Panik, wir sind nicht entführt worden. Wir werden in Istanbul zwischenlanden.“

„Aber gerade bei der Landung und beim Abflug passieren doch die meisten Unfälle! Ich will nicht grundlos zwischenlanden.“

Foto: privat

Osman Engin

ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter www.youtube.com/@osmanengin1916. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

„Mein Herr, Sie sind doch der Grund für unsere Notlandung, wir wollen Sie nicht mehr an Bord haben. Sie können mit dem Bus nach Izmir weiterfahren“, ist die unverschämte Antwort, die ich mir zu allem Übel gefallen lassen muss.

In Istanbul werfen sie mich und meine Frau tatsächlich aus dem Flugzeug.

Mit dem Überlandbus dauert es insgesamt elf Stunden, bis wir endlich in Izmir ankommen. Mein Onkel Ömer und meine Tante Ülkü, die seit 13 Stunden in Izmir am Flughafen auf uns warten, sehen nicht mehr so frisch aus. Und glücklich auch nicht.

„Onkel Ömer, es tut mir leid, aber diese bescheuerten Charter-Flugzeuge halten heutzutage an jeder Milchkanne. Schlimmer als ein Sammeltaxi“, schimpfe ich.

Ich habe Angst vor dem Flugzeug, und das Flugzeug hat Angst vor mir

Aber meine Frau wartet keine Sekunde, um mich zu verpetzen:

„Onkel Ömer, die Flugzeug-Besatzung konnte Osmans Genörgel und Gejammer nicht mal zwei Stunden ertragen und ist in Istanbul notgelandet, um ihn rauszuschmeißen. Ich arme Frau muss ihn schon seit 30 Jahren aushalten! Bei Allah, womit habe ich das nur verdient?“