Der Britzer Garten in Neukölln wird 20 Jahre alt. Höchste Zeit für eine Lobhudelei
: Auf weichem Rasen aus dem Alltag kugeln

Sie suchen die Rhizomatische Brücke? Nichts leichter als das: Wenn Sie von Südosten kommen, folgen Sie der Museumsbahn, überqueren nach Passieren des Freilandlabors die Wiese am Kopfweidenpfuhl und umrunden den Südsee. Von Nordosten kommend überqueren Sie den Kalenderplatz, lassen den Schilfgürtel rechts und die Drachenwiese links liegen. Aus westlicher Richtung schließlich passieren Sie die Dahlienarena, um vor Erreichen des Staudengartens linkerhand zum Modellboothafen abzubiegen. Voilà: Die Brücke mit ihrem gezackten Trägerwerk und den merkwürdigen Auslegern. Wie, Sie kennen den Britzer Garten gar nicht? Dann wird es aber höchste Zeit.

Um es vorwegzunehmen: Der Britzer Garten ist ein Traum. Wer ihn kennt, muss ihn mögen. Aber da heben schon die ersten Nörgler den Finger: „Ein Traum? Ein Albtraum!“, rufen sie: „Ein Park, der Eintritt kostet.“ Dazu später. Zu vermuten ist jedenfalls: Wer so spricht, kennt den Britzer Garten nicht.

Wie in einem grünen Futteral liegt der Park im Süden Neuköllns umgeben von Kleingärten, Friedhöfen, Sportplätzen und Baumschulen. Wer hierher vorgedrungen ist, hat die Stadt schon weit hinter sich gelassen. Kein Motorenlärm dringt vor ins Kernareal des Britzer Gartens: eine Seengruppe, von sanften Anhöhen umgeben. Von deren höchsten Punkten kann man die ferne Großstadtsilhouette betrachten – die Nadel des Fernsehturms, das Allianzhochhaus. Zu Füßen des Beobachters erstrecken sich 90 grüne Hektar, inszeniert von den Landschaftsgärtnern der 1985er Bundesgartenschau.

Nichts ist hier echt: Die Hügel wurden aus dem Aushub der Seen modelliert, ausgewachsene Bäume transplantiert, Sichtachsen komponiert. Nicht ohne eine Prise Eitelkeit sieht die Parkbetreiberin, die Grün Berlin GmbH, den Park in der Nachfolge von großen Landschaftsgärten englischen Stils wie dem Wörlitzer. Dabei fehlt dem Britzer Garten, der heute und morgen sein 20-jähriges Bestehen feiert, eben jene geschichtliche Dimension, die dem Besucher allzu viel Respekt abverlangen würde. Hier ist alles jetztzeitig, diesseitig, nutzbar. Wo weicher Rasen ist, darf man drauftreten, wo Buntes blüht, schnuppern, wo Wasser sich kräuselt, die Füße benetzen. Eine – zumindest an den Wochenenden, während des größten Besucherandrangs – unsichtbare Armee von Fachkräften pflegt Liegewiesen, Themengärten und Streuobstwiesen, hegt die Heidschnuckenherde, wartet die unzähligen Spielgeräte.

Und zum Spiel wird hier alles: Wer den Park betritt, regrediert unweigerlich in kindliche Gemütszustände. Das städtisch Schroffe des Volksparks, der Hang zur Verwahrlosung, der Konkurrenzkampf der Nutzergruppen ist diesem künstlichen Garten Eden fremd. Überall stehen Liegestühle auf den Wiesen und kein Platzwart kassiert Miete. Hier macht man sich nach Kinderart zur Walze und rollt die grünen Hänge hinab. Hier möchte man dauernd barfuß laufen und Eis am Stiel essen.

Ist das nicht tatsächlich eine spießige Parallelwelt? Ja und nein. Sicherlich ist der Britzer Garten eine gigantische Simulation von Natur, eine hundekotfreie Antithese zur Stadt. Als solche funktioniert er aber auch nur, weil sein Publikum ja ein urbanes ist, das hier gezielt die Auszeit sucht. Und im Fluidum der Üppigkeit – von Natur, Raum und Ruhe – ganz gelassen wird. Hier koexistieren Groß- und Kleinfamilien, Türken und Deutsche, Freunde der Volksmusik und des iPod, Bürgerliche und Proleten mit einer gegenseitigen Rücksichtnahme, die man, warum auch immer, andernorts vergeblich sucht. Was Klaus Wowereit einst dümmlicherweise über das Golfspiel sagte – man müsse es als quasi sozialistisch betrachten, denn auf dem Platz seien alle gleich – hier stimmt es irgendwie für ein paar Stunden. Das kann man sich gern zwei Euro kosten lassen. Viele verbringen dafür den ganzen Tag hier. Wenn man abends nach Hause zurückkehrt, ist man ganz ruhig geworden. CLAUDIUS PRÖSSER

Zur 20-Jahr-Feier des Britzer Gartens findet am Wochenende eine Geburtstagsfeier statt. Höhepunkt ist das Feuerwerk am Samstag um 22 Uhr. Mehr unter: www.gruen-berlin.de.