Radeln in der Olympiastadt: Remco Rüttenauer fährt bei Rot

Unser Olympia-Reporter leiht sich ein Rad aus und passt sich in Windeseile dem Verkehr in Paris an.

Spaß für 5 Euro: Mit dem 20-Kilo-Schleifer auf der olympischen Strecke.

Spaß für 5 Euro: Mit dem 20-Kilo-Schleifer auf der olympischen Strecke Foto: Andreas Rüttenauer

Endlich sitze ich auf dem Rad. Fünf Euro musste ich zahlen, um eines der zahlreichen Räder besteigen zu dürfen, die man in Paris beinahe an jeder Straßenecke ausleihen kann. Jetzt darf ich einen Tag lang durch die Stadt radeln. Und wenn ich das Rad immer vor Ablauf einer halben Stunde an einer der Stationen zurückgebe und es abmelde, kommen keine weiteren Kosten dazu.

Ob das jetzt billig ist oder eher teuer, weiß ich nicht. Das Rad ist jedenfalls wesentlich günstiger als bei Uber oder anderen Plattformen, über die man in Paris E-Bikes am Straßenrand ausleihen kann. Und es ist gesünder. Wer das 5-Euro-Ticket löst, kriegt nur Räder, die es mit Muskelkraft anzutreiben gilt.

Schon bei meiner ersten Fahrt gelingt es mir nicht, das Rad rechtzeitig vor Ablauf der Halbstundenfrist zurückzugeben. Die Stationen in der Nähe der olympischen Wettkampfstätten, die ich ansteuere, sind pickepackevoll. Hätte man ahnen können. Habe ich aber nicht. Auf dem Display meines Leihrades steht 32 Minuten, als ich es abgebe. Die Fahrt kostet mich also 1 Euro extra.

Das ist es mir wert, auch wenn ich als Olympiajournalist während der Spiele umsonst mit der U-Bahn fahren darf. Ich will ja schließlich endlich in Erfahrung bringen, wie es sich anfühlt, das Radeln in Paris, jener von Ver­kehrs­wen­de­ak­ti­vis­t:in­nen so sehr besungenen Stadt, in der immer mehr Autospuren zu Radwegen umgewidmet werden.

Die Kette schleift

Und es ist in der Tat ein irres Gefühl, an den Sehenswürdigkeiten, denen in diesen Tagen so gehuldigt wird, als seien sie die wahren Stars der Spiele, vorbeizuradeln. Am Tag vor dem Straßenrennen der Radprofis gerate ich sogar einmal auf deren Strecke, für die gerade die Zäune aufgestellt werden.

Dass die Schaltung nicht richtig funktioniert, die Kette am Kettenkasten schleift und es sowieso anstrengend ist, dieses mindestens zwanzig Kilo schwere Gefährt zu bewegen, macht mir plötzlich nichts mehr aus. Für einen kleinen feinen Moment bin ich Remco Rüttenauer.

Dann biege ich wieder in den Pariser Alltagsverkehr ein. Schnell merke ich, dass man als Radler hier an roten Ampeln nicht stehen bleibt. Von den anderen werde ich als Hindernis wahrgenommen. Bald ignoriere auch ich die roten Ampeln und meckere auf gut Bairisch, wenn ich sehe, dass jemand bei Rot angehalten hat. „Typisch Touris!“, denke ich und sage laut „Auf geht’s!“ zu der jungen Frau vor mir. „Chill mal!“, ruft die in bestem Neudeutsch zurück. Wusste ich es doch, eine Touristin.

Keiner der Tausenden Polizisten, die gerade in Paris patrouillieren, um den Olympiagästen ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, hat etwas gegen die Anarchie, die im Pariser Radverkehr herrscht. Nur einmal, als ich die für offizielle Olympiafahrzeuge reservierte Spur befahre, werde ich zurückgepfiffen und weiche auf den Gehweg aus. Das scheint in Ordnung zu sein. Mir soll es recht sein. Bei der nächsten Ampel biege ich links ab. Bei Rot natürlich.

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