Der Wochenendkrimi
: Das gefährliche Werk der Libido

„Tatort: Die schlafende Schöne“, So., 20.15 Uhr, ARD

Wien, nirgendwo wütet Eros destruktiver. Mit dem Sex in diesem „Tatort“ verhält es sich trotz Bildungsbürgerambiente wie in einem Teenhorrorkracher: Ist der Akt vollzogen, gibt es eine Leiche zu entsorgen. Gleich zweimal wird hier in Primetime-ungewohnter Weise dem Beischlaf gefrönt. Die Libido tut jedoch auch in den restlichen Szenen ihr gefährliches Werk. Glutäugige Roma streichen Stradivaris, Geigenbauer dozieren über die geschnitzte Schnecke am Hals des Instruments wie Arthur Miller einst über das weibliche Geschlechtsorgan. Sublimation und Enthemmung prägen also diese ORF-Episode aus dem E-Musik-Milieu. Es geht um eine Musikprofessorin (Suzanne von Borsody), die an Parkinson erkrankt ist. In ihrem Besitz befindet sich eine 300 Jahre alte Stradivari, auf der sie ihren Schützling ein Konzert geben lässt. Nach einer weinseligen Feier gibt sich die Dozentin – verzweifelt meldet sich die Lebenslust – dem Bruder des Wunderknaben hin. Noch im Bett wird der Gespiele erschossen. Ein Roma-Mord mit politischem Hintergrund kann ausgeschlossen werden, da man feststellt, dass die auf drei Millionen Euro versicherte Stradivari entwendet wurde. Der Ehemann, selbst gefeierter Geigenvirtuose, könnte daran beteiligt sein.

Zu all den monologisierenden Künstlerseelchen und aufreizenden Streicherstakkati setzt Kommissar Eisner (Harald Krassnitzer) angenehm trockene Kontrapunkte. Doch wie kriegt man diesen Schweiger zum Reden? Autor und Regisseur Dieter Berner wendet einen so bekannten wie effizienten Trick an: Er hängt dem Ermittler eine halbwüchsige Tochter an, die Frucht eines lange zurückliegenden Urlaubsflirts. Die Kleine redet ohne Unterlass und hört auch nicht auf, wenn man ihr Geldscheine in die Hand zählt. Konsequent, dass sich der Ermittler keinen falschen Sentimentalitäten hingibt und weiterhin ungerührt vor sich hinstarrt. Trübe wie ein doppelter Mokka. CHRISTIAN BUSS