Allein unter Neinsagern

Viele Franzosen empört es schon lange, nun hat es auch die oberste Medienaufsicht bestätigt: Die Berichterstattung der französischen TV-Sender zum morgigen EU-Referendum ist unausgewogen

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Wer wissen will, wie es im realen Frankreich aussieht, sollte die großen nationalen Zeitungen, die Radiosender und das Fernsehen strikt meiden. Sie liegen fast ausnahmslos auf einer Linie: Ja zur EU-Verfassung. Informationen jenseits dieser Propaganda muss frau außerhalb der offiziellen Medien suchen: auf den Mauern Frankreichs, auf denen seit Monaten dicke Posterschichten für das „Non“ und für das „Oui“ kleben. Bei zigtausenden von kleinen und großen Veranstaltungen. Und in den Leserbriefspalten, wo ab und zu empörte Reaktionen über die „Desinformationskampagne in einer der ältesten Demokratien der Welt“ erscheinen dürfen.

In der allerletzten Woche vor dem Referendum hat auch die oberste Medienaufsichtsbehörde CSA den Missstand entdeckt. Am Mittwoch bemängelte sie in einem Schreiben an sämtliche TV-Direktionen des Landes, die Berichterstattung über die EU-Verfassung sei „unausgewogen“. Unter anderem stellte die Behörde fest, die GegnerInnen der Verfassung kämen beim größten Privatsender TF1, beim Bezahlfernsehen Canal + und beim öffentlich-rechtlichen Sender France 2 zu kurz. Für Printmedien ist die CSA nicht zuständig.

Die Reaktion des CSA kommt spät. Bereits Anfang April prüfte die medienkritische TV-Sendung „Arrêt sur Image“ die Ausgewogenheit der Fernsehberichterstattung über das EU-Referendum. Das Ergebnis für alle Kanäle: 29 Prozent der Wortmeldungen sind für ein „Non“. 71 Prozent für ein „Oui“. Im Mai platzte schließlich einigen JournalistInnen bei den öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten der Kragen: Sie demonstrierten dafür, dass der „öffentliche Dienst seiner Informationspflicht nachkommt“. Und setzten eine Petition gegen die „Oui-Einpeitscherei“ ins Web. Fast 18.000 Personen haben sie unterschrieben. Unter dem Vorwand der „Pädagogik“, heißt es in dem Text, „tragen die Medien dazu bei, sich selbst zu diskreditieren“.

In der Öffentlichkeit hat die Propagandawelle der Medien das Gegenteil der gewünschten Reaktion ausgelöst. Statt das „Oui“ der Medien zu übernehmen, fühlen sich viele FranzösInnen „manipuliert“. Im Laufe der EU-Verfassungskampagne ist nicht nur ihr Misstrauen gegen die PolitikerInnen, sondern auch gegen die Medien extrem gestiegen.