Ist es richtig, das „Compact“-Magazin zu verbieten?

Ja

Wenn der Staat linksradikale Medien wie Linksunten Indymedia verbietet, regt sich kein Zorn bei AfD und auch nur erstaunlich wenig Protest in den Kommentarspalten der gutbürgerlichen Kaffeetischlektüre. Komisch, dass nun ausgerechnet bei einem extrem rechten Medium Liberalismus und Pressefreiheit ins Feld geführt werden, um Neonazipropaganda in Schutz zu nehmen, die sich bereits jetzt in weiten Teilen der Republik wirkmächtig auf der Straße als Gewalt entlädt.

Denn natürlich ist das Verbot von Compact richtig, rechtsextreme Finanzstrukturen, die nach Putins Pfeife tanzen und die Demokratie abschaffen wollen, gehören mit rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft. Auch wenn sie unter dem Deckmantel der Pressefreiheit Hass, Hetze und Umsturzaufrufe verbreiten.

Denn Compact hat nichts mit Journalismus zu tun. Elsässer ist ein rechtsextremer Aktivist und Chef einer rechtsextremen Organisation, die auf vielen Feldern operiert: als Vernetzungsakteur für die Szene, als Sprachrohr der Querdenkenszene bis hin zur gewalttätigen Q-Anon-Bewegung und als Vorfeldorganisation der extrem rechten AfD, insbesondere der völkisch-nationalistischen Strömung, die ebenso auf Umsturz gepolt ist.

Auch hier gilt das Toleranzparadoxon von Karl Popper: Zu viel Toleranz gegenüber den Intoleranten führt am Ende zur Abschaffung der Toleranz. Darum greift das Verbot von Compact nicht den liberalen Kern unserer Gesellschaft an, sondern verteidigt ihn. Denn die Meinungsfreiheit hat Grenzen – aus Gründen.

Und der Rechtsstaat wurde auch nicht abgeschafft: Der Klageweg vor ein unabhängiges Gericht steht ja offen. Vermutlich wird Elsässer aber vor Gericht große Probleme haben, sich auf die Pressefreiheit zu berufen, wenn er selbst offen zugibt, dass es ihm darum geht, das „Regime“ zu stürzen – also sein Schmutzmagazin nur Mittel zum Zweck ist und es seinem rechtsextremen Netzwerk darum geht, die Demokratie zu zerstören. In der Opferrolle suhlen sich Neonazis so oder so.

Gareth Joswig

Nein

Das Magazin Compact ist das Sprachrohr des abgedrehten, rechten Flügels der AfD. Dessen Chefredakteur Jürgen Elsässer funktioniert, wie schon zu linksradikalen Zeiten, als Ich-AG und Empörungsunternehmer mit Neigung zu skurril-aggressiven Verschwörungsideen. Das ist mehr als unsympathisch, aber kein Grund für ein Verbot.

Erstens ist es zu viel der Ehre für Rechtsextreme, die sich nun in ihrer Opferrolle häuslich einrichten dürfen. Dieses Verbot bekräftigt die rechte Erzählung, eine subversive Kraft zu sein, die vom Staat unterdrückt werden muss. Opfererzählungen können toxisch wirken und gefährliche Machtinstrumente werden, siehe Trump und USA. Warum diesen Boden auch noch düngen?

Zweitens steht dieses Verbot juristisch auf schwankendem Boden. Nicht das Medium Compact wurde direkt verboten, sondern die entsprechende GmbH. Dass Nancy Faeser den Umweg über das Vereinsrecht wählt, wirkt wie ein Trick und eine Verlegenheitslösung. So soll verhüllt werden, dass hier ein Medium verboten wird, das unter dem glücklicherweise weiträumigen Schutz der Meinungsfreiheit steht. Es ist möglich, dass Gerichte dieses Manöver für nicht statthaft erklären werden. Das wäre die maximale PR für die Rechtsextremen und eine selbst verschuldete Blamage für die Innenministerin. Und leider auch für den Kampf gegen Rechtsextreme.

Drittens: Dieses Verbot wäre auch ohne die lodernde Gefahr, Rechtsextremen zu nutzen, ein Fehler. Es ist grundsätzlich falsch. Der Staat und die etablierten Parteien greifen immer leichter zu repressiven Mitteln, zu Demoverboten und Polizeieinsätzen in Unis. Derzeit bildet sich ein autoritärer Liberalismus heraus, der vieles, was ihm feindlich erscheint, für illegal erklärt. Die Bedrohung durch Rechtsextreme ist real. Doch im Kampf dagegen fundamentale Werte wie Meinungsfreiheit leichtfertig für die scheinbar gute Sache zu opfern, ist kurzsichtig. Das Compact-Verbot schadet nicht den Rechtsextremen, es frisst sich wie Rost in den Kern der liberalen Demokratie.

Stefan Reinecke