beobachtet
: Die Bremer Innenbehörde dreht populistische Videos

Nachdem sie am vergangenen Freitag bereits Videokameras an einer belebten Kreuzung in Gröpelingen in Betrieb genommen hat, plant die Bremer Innenbehörde nun auch einen zentralen Teil des Bremer Viertels mit Kameras zu überwachen. Das geht aus einer Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der CDU hervor, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Darin heißt es, dass die SPD-geführte Innenbehörde eine „dauerhafte Videoüberwachung mit Haltestellenbezug“ im Bremer Viertel plant.

Konkret gemeint ist eine Strecke von rund 300 Metern entlang der Straße Vor dem Steintor, zwischen den Straßenbahnhaltestellen Sielwall und Brunnenstraße. Dieser Abschnitt ist ein zentraler Teil des Bremer Viertels. Hier gibt es Kneipen, Restaurants, Imbisse und Geschäfte. Am Abend und an den Wochenenden ist hier viel los.

Aber woher kommt diese Wissbegierde der Behörde? Vor dem Hintergrund verschiedener gewalttätiger Angriffe in Bahnen und Bussen hatte die SPD mit der Überwachung von Haltestellen 2023 Wahlkampf gemacht und Überwachungsmaßnahmen in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt.

Zuvor hatte es unter anderem Ende 2020 einen rassistischen Angriff auf eine Schwarze Bremerin in einem Nachtbus gegeben, 2022 war eine trans* Frau in einer Straßenbahn schwer verletzt worden und Anfang 2023 war ein Straßenbahnfahrer von Jugendlichen verprügelt worden.

Die Behörde hat sich nun die polizeiliche Kriminalitätsstatistik ganz genau angeschaut und im Bereich der Haltestelle Brunnenstraße besonders viele Straftaten gezählt. Aus dem Papier geht aber auch hervor, dass die meisten gezählten Straftaten gar nicht direkt an der Haltestelle stattgefunden haben, sondern an anderen Orten in der Straße Vor dem Steintor. Wenn der genaue Ort der Tat nämlich nicht erfasst ist, wird er in der Statistik einfach für die Mitte der Straße vermerkt. Und genau da befindet sich die Haltestelle.

Das heißt: Der Innenbehörde geht es eigentlich gar nicht um die Überwachung der Haltestellen, sondern um das Viertel an sich. Doch die präventive Wirkung von Videoüberwachung ist hoch umstritten. Empirische Erkenntnisse, dass diese wirkt, gibt es kaum.

Kurt Mühler und Karsten Lauber von den Universitäten Leipzig und Bochum schrieben erst 2022 in einer Studie vom „eklatanten Widerspruch zwischen Sicherheitsversprechen und den bislang nachgewiesenen Effekten“ der Videoüberwachung und nannten sie den „Prototyp plakativer Kriminalpolitik“. Einfach gesagt: reine Symbolpolitik. Nun gut, könnte man sagen – was ist so schlimm an ein paar symbolischen Kameras, wenn sich Teile der Bevölkerung dadurch sicherer fühlen?

Tä­te­r*in­nen greifen andere Menschen nicht an, weil sie sich unbeobachtet fühlen, sondern weil es in dieser Gesellschaft einen stillen Rückhalt dafür gibt

Videoüberwachung schneidet erheblich in die Privatsphäre der Menschen ein, die im Viertel leben, feiern, Einkäufe erledigen oder ihrer Arbeit nachgehen. Der Landesbeauftragte für Datenschutz hatte das bereits für die Überwachung auf der Breminale und in Gröpelingen kritisiert. Und auch das Sicherheitsgefühl ist ungleich verteilt. Tä­te­r*in­nen fühlen sich nicht bemächtigt, andere Menschen anzugreifen, weil sie sich unbeobachtet fühlen, sondern weil es in einer von Rassismus und Transfeindlichkeit geprägten Gesellschaft einen stillen Rückhalt dafür gibt.

Das Geld, dass für die Überwachung draufgehen würde – laut Behörde allein bis zu 250 Tausend Euro nur für die Installation einer Kamera – sollte der Senat lieber in die Stärkung der Zivilgesellschaft stecken. Der Bremer Rat für Integration hatte bereits nach dem rassistischen Angriff 2020 Schulungen für Mit­ar­bei­te­r*in­nen im ÖPNV gefordert. Im Zweifel ist es wichtiger, dass Menschen eingreifen und die Betroffenen unterstützen, als dass der Angriff gefilmt wird. Franziska Betz