Halb Österreich blockiert

Um gegen die EU-Wegekostenrichtlinie zu protestieren, besetzten DemonstrantInnen gestern wichtigste Transitstrecken. Sie wollen durch höhere Maut weniger Verkehr

WIEN taz ■ Auf den Straßen findet ein Massaker statt: 2.400 Menschen werden jährlich in Österreich durch Verkehrsabgase getötet, EU-weit sind es 288.000. Mit diesen Horrorzahlen aus der Statistik der WHO warb das Transitforum Tirol gestern für seine Protestveranstaltungen auf der Inntalautobahn. Von Mittag bis Mitternacht wurde in der Ortschaft Vomp die A 12 blockiert und von der Gendarmerie gesperrt. Eine der wichtigen Transitstrecke – die Tauernautobahn – wurde drei Stunden blockiert, die Schnellstraße S 7 am Grenzübergang Heiligenkreuz nach Ungarn bis zum Abend von den Demonstranten besetzt.

Schönes Wetter und zwei Konzerte der populären Folkrockgruppe Bluatschink lockten hunderte TirolerInnen auf die Inntalautobahn. Biertische und Imbissstände sorgten für Volksfestatmosphäre. Pkws und Busse konnten auf Nebenstraßen ausweichen, schwere Lkws und Sattelschlepper haben dort Fahrverbot und wurden von der Gendarmerie für die Zeit der Blockade auf den Pannenstreifen verbannt. Schon gegen 11.00 Uhr reichte der Rückstau bei der Hauptmautstelle in Schönberg kilometerweit zurück.

Spitzenpolitiker ließen sich diesmal nicht blicken. Tirols Landeshauptmann Herwig van Staa, ÖVP, und Verkehrsminister Hubert Gorbach, BZÖ, zeigten anlässlich einer Pressekonferenz in Innsbruck zwar Verständnis für das Anliegen der Transitgegner. Doch wollten sie den Blockaden durch ihre Anwesenheit keinen offiziellen Charakter verleihen. Gorbach hatte vor einem Monat die EU-Wegekostenrichtlinie, als Erfolg für Österreich gefeiert. Immerhin war erreicht worden, dass die hohe Brenner-Maut nicht gesenkt werden muss. Dennoch ist der Kampf Österreichs gegen die Transitlawine wenig erfolgreich. Seit dem EU-Beitritt vor zehn Jahren hat sich das Transitaufkommen verdoppelt.

Fritz Gurgiser, Gründer und Chef des Transitforums, fordert deshalb Solidarität von den Mitgliedstaaten ein: „Wir haben nur gegeben und dafür Sanierungsgebiete bekommen.“ Er verlangt als Sofortmaßnahme ein sektorales Fahrverbot für Schrott und Müll. Kein Verständnis zeigte hingegen die Tiroler Wirtschaftskammer. Blockaden lösten keine Probleme, „sondern polarisieren nur und gaukeln der Bevölkerung vor, dass es kurzfristig Alternativen zur Eindämmung des Straßengüterverkehrs gibt“, erklärte ein Sprecher. Gurgiser teilt diese Meinung nicht: „Ohne unsere Proteste hätten wir jetzt statt einer zwei Brennerautobahnen.“ RALF LEONHARD