Brats, Benjamin und Basketball: Solider Dreier

Willkommene Symbolpolitik, Kamalas „brat summer“, Klartext aus der Gefängniszelle. Außerdem eine Euro-Bitch und Adeles paralleles Bahnsystem.

Eine Frau schaut von einem Flugzeug aus hinab

„kamela IS brat“ Foto: Stephanie Scarbrough/ap

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Kamala Harris kandidiert nicht in Deutschland.

Und was wird besser in dieser?

Kamala Harris gewinnt die Wahl bisher nur hier.

Das Internet feiert Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin. Aber ihr Vize ist noch unbekannt. Wie wählt man den besten Side-Kick fürs Weiße Haus aus?

Durch das bewährte VizepräsidentInnenkandidatInnenquiz der Washington Post. Die Trump-Version ist noch online und mit etwas Fortune filtert man aus 23 möglichen drei realistische KandidatInnen aus, darunter – Treffer versenkt – J. D. Vance. Kriterien wie „leugnet das Wahlergebnis“ und „redet Trump nach dem Mund“ ernüchtern ein wenig über die amerikanische Demokratie. Beim Harris-Quiz läuft es auf eine inzwischen selten gewordene Jobchance für eine marginalisierte Minderheit hinaus. Harris – Frau, schwarz, migrantisch, modern – reißt die Lücke. Let’s face it, es wird ein weißer alter cis-Mann.

Haben Sie einen „brat summer“?

Etymologisch wäre das ein uneheliches Kind, ein Hund, abgetragene Kleidung oder irgendwas mit deutscher Bratwurst. Nicht alles werde ich in einem Sommer schaffen. Aber klingt toll. Popkulturell scheint die Wurzel ein hodentief dummes Musikvideo eines US-Rappers über das, was sich sein Hormonhaushalt unter „hot girl summer“ vorstellt. Darauf antworteten „white boy summer“-Honks, was wohl den Gegenentwurf einer selbstbestimmten, unangepassten jungen Frau hervorrief: „Brat“, so das Album der britischen Sängerin Charli XCX. Die dekretierte nun per Post, „kamela IS brat“. Ein Sechser im Lotto für Harris, die Trump als elitär, akademisch, reich, der Arbeiterklasse entfremdet angreifen will. Also feiert Haris per Social Media den Ritterinnenschlag, und Charli XCX wird ordentlich Alben verkaufen. Win-win. Da liegt die Latte, Frau von der Leyen, bzw. natürlich Euro-Bitch.

Weltmeister und Basketballstar Dennis Schröder trug als erster Schwarzer, muslimischer Mann bei der Olympia-Eröffnung die deutsche Fahne. Manche schrien direkt: „Symbolpolitik!“ Hakt ’s?

Bei wem? Schröder unterstrich seine Kandidatur mit dem erklärten Anspruch, der erste schwarze, muslimische Fahnenträger sei ein „Statement“. Und so wurde er immerhin von SportskameradInnen und Fans demokratisch gewählt. Es ist mit voller Absicht Symbolpolitik, und die Weisheit darin liegt in der Frage: „Wer war der zweite Mann auf dem Mond?“ Eben, weiß keine Sau, und derdiedas nächste schwarze, muslimische Fahnenträger wird kein großes Thema mehr sein. Solider Dreier.

Netanjahu hielt seine erste Rede in den USA seit dem 7. Oktober. Konkrete Pläne, wie der israelische Regierungschef den Krieg beenden will, gab es nicht. Wann redet er Klartext?

Im Knast. Netanjahu weiß, dass nach Kriegsende eine zivilgesellschaftliche Erhebung kommt, Neuwahlen, Machtverlust, Strafverfolgung. Aufgabe gerade der Freunde Israels ist es, Netanjahu den Krieg als noch übler zu zeigen als den Frieden. Vorher bewegt er sich nicht.

Olaf Scholz hat die Republik wissen lassen, dass er zur Wiederwahl antritt. Warum haben deutsche Politiker Angst vor der Frührente?

Vorgänger Gerhard Schröder hat schon für deutlich weniger – eine vergeigte Wahl in NRW und das Simonis-Drama in Kiel – die Nerven verloren und Neuwahlen herbeigeführt. Respektive seinen unstillbaren Aberglauben an die eigene Herrlichkeit über jede Vernunft gestellt. Scholz hält es eher mit Merkel, die unter desaströsen Umfragewerten durchtauchte und am Ende wieder siegte. Das muss bei Scholz nicht klappen, doch alles andere wäre politischer Selbstmord.

Adele hat für ihre kommenden zehn Konzerte in München eine eigene Event-Location gebaut. In welche Infrastruktur soll die britische Sängerin als Nächstes in Deutschland investieren?

Wäre hübsch, wenn sie für die Anreise ein paralleles Bahnsystem bauen ließe.

Die Letzte Generation klebt wieder. Welche politische Gruppe wünschen Sie sich zurück?

Vielleicht sollte es bei der Obrigkeit eine Beratungsstelle für Abweichenden Aktivismus geben. Bei Kindern, die die Bude verwüsten, sagt man ja auch gern: „Könnt ihr nicht lieber was Schönes basteln?“ Schottern, blockieren, besetzen waren Protestformen, die jeweils die leidige Gewaltdebatte weckten – wie etwa Gewerkschaften, die immer dann streiken, wenn es die Leute auch merken. Ja wann denn sonst.

Und was macht der RWE?

Nur mal so zur Orientierung: Als das neue Stadion An der Hafenstraße gebaut wurde, folgte man polizeilichem Wunsch, für Hochrisikospiele die Fangruppen rechtzeitig zu trennen. Deshalb Gäste im Westen, Heimfans im Osten. Folge: Die traditionelle Westkurve der Rotweißen steht jetzt im Osten und ist keine Kurve. Heißt aber Westkurve. Ganz einfach. Fragt mich doch.

Fragen: Anastasia Zejneli

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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