Günter Flott
: Das Gaunerding da

Es war an einem Freitag, als ich ihn entdeckte. Einen echten Gaunerzinken. An unserer Behausung. Im Garten sollte am Abend mit der Hausgemeinschaft gegrillt werden. Und genau vor unserem Anwesen, auf dem Betonfundament des Zauns, war nun links ein Gaunerzinken in schwarzer Farbe angebracht.

Gaunerzinken sind Symbole, via derer sich Einbrecher und ihre Auskundschafter untereinander informieren, ob und unter welchen Umständen die Immobilie ein lohnendes Objekt der Begierde wäre. Viele kleine Kreise stehen für viel Geld, ein Halbmond empfiehlt den Abend als Einbruchszeit und eine Zickzacklinie warnt vor einem bissigen Hund. Bei uns war ein Kreuz angebracht. Mein Nachbar und ich googelten das Zeichen sofort. Das Ergebnis beruhigte, Kreuz steht für: Hier ist nichts zu holen.

Groß war die Freude und berauschend das Grillfest. Während des sommerabendlichen Bacchanals kamen wir überein, die Transparenz unserer Lebensführung beizubehalten. Dazu gehört der Verzicht auf Jalousien und Vorhänge, womit der Blick auf Schallplatten-, Büchersammlungen und allerlei wertlosen Kram freigegeben ist. Unser gemeinschaftlicher Hang zur Unordnung signalisiert zusätzlich, es sei schon ein Einbrecher dagewesen.

Ebenso erstellten wir einen Plan, den bestehenden Gaunerzinken sorgfältig zu pflegen, auf dass die Botschaft ewig erhalten bliebe. Leider hielt nach dem Gelage die Disziplin nicht, Wind und Wetter radierten den Gaunerzinken aus. Zum Glück war bald ein neuer da. Nur diesmal war er direkt hinterm Haus unterm Schlafzimmerfenster, wohin nur ein kleiner Weg durch den Garten führt. Der Gaunerzinkenzeichner schien uns intim nahegekommen zu sein.

Noch verstörender aber war die Dekodierung des Symbols, wirkte es doch dank der Klaue des Zeichners nahezu undeutbar. Gut, an jener Stelle hinterm Haus gibt es kein Licht, das mag die Krakelei entschuldigen. Bei der Gelegenheit erschien es uns allerdings fraglich, wer an dieser dunklen und wegen des dichten Pflanzenbewuchses schwer zugänglichen Stelle die Zinkenbotschaft überhaupt wahrnehmen sollte. Wir machten uns Sorgen um die intellektuellen Fähigkeiten des Einbrechers.

Nichtsdestotrotz blieb auch ein Unbehagen, denn die Ähnlichkeit mit Symbolen, die auf Reichtum hinweisen, waren durchaus hineininterpretierbar. Also sperrten wir des Nachts alle Fenster und Türen gut ab.

Am nächsten Tag war der Gaunerzinken weg. Einfach so. Dafür entdeckten wir an den Mülltonnen neue Bodenschmierereien. Das vollkommen verquere Gekritzel trug eindeutig die gleiche Handschrift wie die Gaunerzinken beim Schlafzimmer. Nur dass diesmal überhaupt so gar kein Symbol erkennbar war! Die Zeichnung bildete eher eine irre Linie, die hinter die Garagentür führte. Wir gingen ihr nach und sahen am Ende der Linie – den Zeichner. Er war eine Schnecke. Eine Schnecke, die ihre Schleimspur über unsere Gartenwege zog.