Unterstützung von Hamburgs Popszene: Hof-Gemeinschaft braucht Bass

Die Hamburger Werkhof-Gemeinschaft Viva La Bernie kämpft um ihr Areal. Subkulturell grundierte Stars und virtuose Hoch­schul­mu­si­ke­r*in­nen helfen.

Der Musiker Boris Lauterbach «König Boris» bei einem Fototermin in Hamburg

Viva La Bernie: König Boris bei einem Pressetermin Foto: Christian Charisius/dpa

Es ist ein bewölkter Sommerabend auf St. Pauli, es sieht nach Regen aus. König Boris steht in einem historischen Innenhof und trägt Sonnenbrille mit Goldrand, so wie auf dem Foto, das die Bild kürzlich zu ihrem Artikel über seinen 50. Geburtstag veröffentlicht hat. Bild? König Boris ist einer der drei Rapper von Fettes Brot und hat als solcher diverse Hits gelandet.

Seinen Promistatus hat er reduziert auf eine Tasche mit der Aufschrift „Ist mein Mikro an?“

So ganz passt er nicht zu den Leuten, die mit ihm in diesem Hof rumstehen. Die anderen hier wirken geerdet mit ihren dunkel gehaltenen Klamotten, sanft künstlerisch individualisiert, aber alles andere als herausgeputzt. Auch Schorsch Kamerun fällt nicht weiter auf. Seinen Promistatus hat der Goldene-Zitronen-Sänger reduziert auf eine Tasche mit der Aufschrift „Ist mein Mikro an?“

Der Innenhof ist umstellt von halbhohen Gebäuden. Vor 150 Jahren war hier ein Depot der Straßenbahn, als die Wagen noch von Pferden gezogen wurden. Mittlerweile werden die Gebäude von Künst­le­r*in­nen und Hand­wer­ke­r*in­nen als Werkstätten, Ateliers und Wohnungen genutzt. Auch König Boris hat ein Studio hier.

Seitdem ein Investor das Areal gekauft hat, fühlt sich die Gemeinschaft bedroht von Mietenwahnsinn. Nun versucht sie, das Gelände zurückzukaufen und hat dafür die Kampagne Viva La Bernie gestartet. Der Investor ist verkaufsbereit und eine Stiftung konnte als Geldgeberin gefunden werden. Aber es fehlen aktuell noch rund 2,3 Millionen Euro.

Nun ist es nicht so, dass die Hofgemeinschaft dank ihrer zum Teil sicher nicht unvermögenden Beteiligten die Sache per privatpersönlichem Scheckbuch löst. Ihr Projekt ist ein Politikum geworden, ein Versuch, sich dem Investorentreiben und der Marktlogik zu widersetzen. So, wie es in Hamburg dem Gänge­viertel gelang.

Lange Liste mit Kulturgrößen

Allerdings läuft die Öffentlichkeitsarbeit anders: Viva La Bernie bedient sich eines Netzwerks Hamburger Kulturgrößen, die eine linke Subkulturvergangenheit teilen und nun für das Projekt werben. Mit dabei sind Fatih Akin, Jan Delay, Heinz Strunk, Rocko Schamoni. Die Liste ist lang und besteht größtenteils aus Männern im Alter 50 plus.

Eingewoben in das Netzwerk haben sich an diesem Abend die Mu­si­ke­r*in­nen des Ensemble Resonanz – ein erfolgreiches Hamburger Kammerorchester, das klassisches Repertoire mit zeitgenössischer Musik verbindet. Im Innenhof von Viva La Bernie nehmen also vier Streicherinnen Platz und spielen Philip Glass als Einstimmung auf das, was danach im Hochbunker Feldstraße passiert.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Dort nämlich unterhält das Ensemble Resonanz einen Raum, der zugleich Club und Konzertsaal ist, mit Wänden aus Beton, einer mächtigen Bar, einer niedrige Bühne und eng gestellten Stühlen. An diesem Freitag ist der Laden ausverkauft, zum Teil stehen die Leute. Violinistin Swantje Tessmann betritt die Bühne und begrüßt das Publikum mit: „Hallo Freunde!“ Gemeinsam wolle man Wirbel machen für Viva La Bernie. Mit Hilfe von König Boris, Das Bo, Schorsch Kamerun und Diggen. Letzterer war Sänger der Punk-Band Slime und sieht mit seinen blondierten Stachelhaaren so aus, als wäre er den alten Zeiten noch vergleichsweise nahe.

Also Rap, Punk und Kameruns dadaistische Songminiaturen zusammen mit virtuos examinierten Hochschulabsolvent*innen, die dem HipHop Streicherteppiche geben und dem Punk Rhythmus. Das kann natürlich nur gut gehen, zumal die Freunde im Publikum beides drauf haben: klassischer Musik lauschen und mitsingen, etwa bei „Bass, Bass, wir brauchen Bass“, wie das in einem Hit von Das Bo gefordert wird. Das Publikum entspricht der Alterskohorte der Musiker*innen, auch die linksalternative Grundierung stimmt. Es ist ein Heimspiel in Sichtweite des Stadions des FC St. Pauli – dessen Präsident übrigens auch zum Bernie-Netzwerk gehört.

Geteilte Werte beim Spiel mit der Kulturprominenz. Das auch eine Gefahr birgt: Stars brauchen schließlich keine Spende, damit ihr Übungsraum günstig bleibt. Und alle anderen aus dem Werkhof stehen an diesem Abend nicht auf der Bühne.

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Jahrgang 1973, fing als Kultur-Redakteur der taz in Bremen an und war dann Redakteur für Kultur und Gesellschaft bei der taz nord. Als Fellow im Digital Journalism Fellowship der Hamburg Media School beschäftigte er sich mit der digitalen Transformation des Journalismus und ist derzeit Online-CvD in der Norddeutschland-Redaktion der taz.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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