Skandalöse Straflosigkeit

Athener Strafjustiz setzt Schlusspunkt unter Siemens-Schmiergeldskandal

Aus Athen Ferry Batzoglou

Im Siemens-Schmiergeldskandal in Griechenland ist der endgültige Schlusspunkt gesetzt. Am Dienstag beschloss das Athener Berufungsgericht, den deutschen und griechischen Ex-Angeklagten im Siemens-Strafprozess alle eingefrorenen Vermögenswerte zurückzuerstatten.

Elf Jahre nach Bekanntwerden des Skandals hatte 2017 ein Strafprozess mit insgesamt 64 griechischen und deutschen Angeklagten begonnen. Darunter waren ehemalige Führungskräfte der Siemens-Muttergesellschaft in München, Führungskräfte von Siemens Hellas und der damals halbstaatlichen griechischen Fernmeldeanstalt OTE. Fünf Jahre später stand in zweiter Instanz fest: ausnahmslos alle der 22 Angeklagten kamen ungeschoren davon.

Eine himmelschreiende Straflosigkeit sei das, monierten Kritiker. Zu Recht: bei 19 Personen, darunter Heinrich von Pierer, von 1992 bis 2005 Siemens-Vorstandsvorsitzender, sowie Michalis Christoforakos, Ex-Geschäftsführer von Siemens Hellas, wurde die Strafverfolgung für die bis 2002 begangenen Taten wegen der eingetretenen Verjährung „endgültig eingestellt“. Die Verjährung war wegen der Schwere der angeklagten Straftaten zwar erst nach 20 Jahren 2022 eingetreten. Doch da lief der Strafprozess in zweiter Instanz noch. Die Richter ließen so den Prozess für das Gros der Angeklagten einfach in die Verjährung gleiten. Eine Angeklagte wurde freigesprochen, ein flüchtiger Angeklagter hatte keine Berufung eingelegt, ein anderer war verstorben. Christoforakos, mit besten Kontakten in die Spitzen der Regierungsparteien Nea Dimokratia (konservativ) sowie Pasok (sozialdemokratisch), konnte sich unbehelligt aus dem Staub machen. Das Berufungsgericht beschloss, die Vermögenswerte, die als Produkte der Geldwäsche aus Bestechung eingefroren worden waren, nicht nur der freigesprochenen Angeklagten, sondern auch den 19 Ex-Angeklagten, gegen die wegen der Verjährung die Strafverfolgung eingestellt wurde, zurückzuerstatten. Griechische Medien bewerteten dies als „eine weitere besonders demütigende Entscheidung“ im Korruptionsfall Siemens.

Das Griechenland-Geschäft war für Siemens in den 1990er und 2000er Jahren eine Goldgrube. Die Münchner Firma zog auf dubiose Weise Aufträge vom öffentlichen Sektor an Land. Dazu zählten die Digitalisierung der Telefonzentralen der Fernmeldeanstalt OTE, die Einrichtung des Sicherheitssystems der Olympischen Sommerspiele 2004 in Athen, die Lieferung von Diesellokomotiven für die damals staatliche Bahngesellschaft OSE, das Telekommunikationsprojekt Hermes der griechischen Streitkräfte sowie Lieferungen von Siemens-Produkten an Krankenhäuser in Griechenland. Siemens-Führungskräfte gaben hinterher an, dass Bestechungsgelder in Höhe von 130 Millionen D-Mark an Griechen geflossen seien. Vor Gericht räumte Ex-OTE-Chef Panagis Vourloumis ein, dass nach Angaben eines Ex-Siemens-Managers 50 bis 75 OTE-Führungskräfte bestochen worden seien. Die rechte Hand des früheren griechischen Premierministers Kostas Simitis (Pasok), Theodoros Tsoukatos, gab zu, dass er 1999 eine Million D-Mark erhalten hatte.

Während der Mammutprozess in Athen im Sande verlief, hagelte es in Deutschland Freiheits- und Geldstrafen. Konkret deckten die deutschen Behörden auf, dass Mitarbeiter vor allem in der Festnetztelefonsparte von Siemens über schwarze Kassen sowie Scheinfirmen weltweit Großaufträge an Land hatten ziehen können. Aus diesen Kassen heraus waren Bestechungsgelder unter anderem nach Russland, China, Nigeria und Griechenland geflossen. Das Landgericht München verhängte gegen Siemens 2007 wegen Schmiergeldzahlungen eine Geldbuße von 201 Millionen Euro.