das wird: „Verbeugung vor den Klängen des Regenwalds“
In Europa kennen nur Spezialisten die peruanische Cumbia-Band Los Mirlos. Ein rares Konzert in Hamburg bietet die Chance, das zu ändern
Von Knut Henkel
Bunte Schlaghosen, leuchtende, bunte Hemden und die langen Ketten, meist dicken Samen, im Regenwald gesammelt: An den Markenzeichen von Los Mirlos hat sich auch knapp 50 Jahre nach ihrer Gründung im peruanischen Moyobamba nicht wesentliches geändert. Die Band, deren Cumbia psychedelisch verzerrten jaulende Gitarren den ganz besonderen Drive verleihen, ist in Lateinamerika tatsächlich schon seit Dekaden unterwegs: Los Mirlos – deutsch: die Amseln – kommen herum.
Mit dabei ist von Anfang an Jorge Rodríguez Grándes.„Unser Sound ist eine Verbeugung vor den Klängen des Regenwaldes, an dessen Rand wir aufgewachsen sind“, erklärt er mit reichlich Understatement. Der inzwischen Anfang-70-Jährige war es, der Los Mirlos die Gitarren verpasste und damit für eine kleine Revolution innerhalb der Cumbia sorgte.
Die Wiege des Genres steht in Kolumbien, an der Karibikküste. Die Cumbia schwappte in den 1940er-Jahren in die Nachbarländer und eroberte von dort aus die Tanzpaläste des ganzen Kontinents – mit dem Akkordeon als Leit-Instrument. Das änderte sich im Hause Rodríguez’in der Provinzstadt Moyobamba: Hier traf sich der musikalische Nachwuchs, um den musikbegeisterten Vätern nachzueifern. „Mein Vater hatte ein Akkordeon, dass wir anfangs benutzen“, erzählt Jorge Rodríguez Grándes. „Doch mir und den chicos gefiel auch die US-amerikanische Rockmusik und so das griffen wir zu den Gitarren.“
Die kamen aber von Anfang an mit psychedelischen Wah-Wah-Effekten zum Einsatz – die Geburtsstunde einer neuen Cumbia-Variante, der Cumbia amazónica. Wimmernde Gitarren also, Vogelgezwitscher und Videoclips, in denen Tukane pizzagroße, rotierende Pupillen haben und Fliegenpilze swingen: Dafür wurde die Band bekannt. Und für ihre schrillen Klamotten.
Familienband mit Strahlkraft
Konzert Los Mirlos und Rodrigo Gallardo: Do, 18. 7., 21 Uhr, Knust, Hamburg
Längst haben Bandleader Jorge Rodríguez und Gitarrist Danny Johnson der Amazonasregion den Rücken kehren und sind nach San Martín de Porras/Lima gezogen, der Hauptstadt Perus. Dort steht das eigene Studio, in dem sie an einem neuen Album basteln. Dabei hält Jorge Lúis Rodríguez, musikalischer Direktor der siebenköpfigen Band, alle Fäden in Händen: Der Sohn des Bandleaders ist für die Arrangements verantwortlich und spielt Gitarre. Er kümmert sich aber auch um die Tourpläne der Kapelle, die in der Region nach wie vor gefragt ist – in Europa aber beinahe ausschließlich spezialisierten DJs bekannt.
Das könnte sich ändern, nachdem vor zwei Jahren die ihrerseits psychedelisch scheppernde Band-Doku „La Danza de los Mirlos“ entstand, die nun auch an den östlichen Ufern des Atlantiks angekommen ist: In ein paar Programm-Kinos, darunter dem Berliner Babylon, ist sie zu sehen gewesen zum Auftakt der Tournee von Los Mirlos durch Frankreich und Deutschland.
Über neue, europäische Fans würden sich Cumbia-Pionier Jorge Rodríguez Grández und seine familiär geprägte Kultband freuen. Wenn die nun im Hamburger Knust auftritt, dürfte sie ihre Hymne „La Danza de los Mirlos“ genauso spielen wie ganz frische Kompositionen: Für das Programm ist längst Sohn Jorge Luis zuständig, der auch schon manche musikalische Kooperation auf den Weg gebracht. Die nächste könnte anstehen mit Rodrigo Gallardo: Mit dem chilenischen Electro-Folk-Pionier teilen Los Mirlos heute die Bühne.
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