Von der Leyen straft Orbán ab

Wegen der Reiseaktivitäten des Premiers will die EU informelle Treffen in Ungarn boykottieren

Aus Straßburg Eric Bonse

Das gab es noch nie: Die EU-Kommission und die europäischen Außenminister wollen den amtierenden EU-Ratsvorsitzenden Viktor Orbán abstrafen und informelle Treffen in Ungarn boykottieren. Dies teilten Kommissionschefin Ursula von der Leyen und der Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag kurz vor der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Europaparlaments in Straßburg mit.

Die Ankündigung soll offenbar das proeuropäische Lager zusammenschweißen, bevor sich von der Leyen am Donnerstag zur Wiederwahl stellt. Von dem ungewöhnlichen Boykott geht aber auch das Signal aus, dass die EU die ungarische „Friedensmission“ nicht akzeptiert. Ungarns Premier war nach Kyjiw, Moskau und Peking gereist, um Möglichkeiten für ein Ende des Ukrainekriegs zu sondieren.Dafür habe er kein Mandat gehabt, heißt es in Brüssel. Bei Diplomaten ist sogar von einem Bruch des EU-Rechts die Rede, das Orbán auf die EU-Beschlüsse zur Ukraine verpflichtet. Allerdings hat der Ungar selbst eingeräumt, dass er auf „eigene Kappe“ fahre. Zudem sind auch andere Ratspräsidenten diplomatisch aktiv geworden. So reiste der Belgiens Premier Alexander De Croo im November 2023 nach Israel, um seinen EU-Vorsitz vorzubereiten.

Damals gab es keine Beschwerden und erst recht keinen Boykott. Diesmal ist jedoch alles anders. Denn Orbán sondiert nicht nur – er blockiert auch immer wieder geplante EU-Hilfen für die Ukraine. Zur „Strafe“ will die EU-Kommission nun nicht die sonst übliche Reise zum Ratsvorsitz in Budapest antreten. Und die Außenminister wollen ein informelles Treffen in Ungarn schwänzen; Borrell plant sogar ein Gegentreffen zur selben Zeit.

Praktische Folgen dürfte das nicht haben, denn bei informellen Räten werden keine Beschlüsse getroffen. Für härtere Maßnahmen – etwa den Entzug der halbjährigen Ratspräsidentschaft – gab es jedoch keine Mehrheit in der EU. Nun ist es zu spät, denn Orbán hat das Ruder bereits am 1. Juli übernommen. Der umtriebige Ungar ist den EU-Politikern sogar schon wieder eine Nasenlänge voraus.

In der vergangenen Woche hatte er sich auch noch mit US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump getroffen. Dieser sei nach seiner Wahl zu sofortigen Vermittlungen um die Ukraine bereit, schrieb Orbán in einem Brief an die EU-Staats- und Regierungschefs. In Brüssel will man davon nichts wissen.