berliner szenen Wer soll das alles hören?

Wer soll dorthin gehen?

Ein wenig kam man sich in der Labelgalerie des Marke-B-Festivals vor, als käme man aus London oder New York nach Berlin zurück. Da schaut man dann aus dem Busfenster und fragt sich nach Tagen in einer Metropole mit anderer urbaner Dichte, wo all die Menschen bloß geblieben sind. Ähnlich ging es einem in den Nebenräumen der Maria am Ufer, wo sich Dutzende Berliner Kleinplattenfirmen vorstellten. So viele Labels! Wer soll sich das alles anhören? Bräuchte Berlin nicht mindestens eine halbe Million zusätzlicher Einwohner, um dieses wunderbare Underground-Angebot überhaupt mit Publikum füllen zu können?

Nun ist das natürlich zur einen Hälfte Quatsch und zur anderen egal: Die meisten Platten verkaufen all diese Firmen ohnehin außerhalb der Stadt- und Landesgrenzen. Und abgesehen davon war Berlin in jener Nacht tatsächlich voll mit vielen zehntausend Auswärtigen – was nicht nur am Pokalfinale lag: Bei dem schönen Wetter möchte man es auch als Brandenburger gerne in Berlin krachen lassen. Die ganze Stralauer Allee war zugeparkt von den Autos der Leute, die in die Strandbars gingen. Und als man diese Jungshorden so besoffen über die Straße torkeln sah, dachte man sich, dass das Blöde an der halben Million zusätzlicher Berliner wäre, dass man sie sich ja nicht aussuchen kann.

Da war man dann aber schon auf dem Weg ins neu gestaltete WMF-Sommerlager. Dort angekommen war die Umlandjugend vergessen (auch wenn man später im Watergate erzählt bekam, die Polizei hätte die Stralauer Alle für eine Weile schließen müssen). Was für ein kultureller Reichtum, dachte man, als man im wunderschönen, aber leider auch nur halb vollen WMF-Hof stand – wer soll bloß in all die Clubs gehen? TOBIAS RAPP