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: „Digitale Gewalt kann isolieren“

Eine Diskussion fragt, wie Betroffene geschützt werden können

Interview Johanna Weinz

taz: Frau Lühr, haben Sie in der letzten Zeit Fälle von digitaler Gewalt betreut?

Kristina Lühr: Ja, meistens in dem Bereich Beziehungsgewalt. Betroffene werden wie im analogen Raum kontrolliert und gefragt, was sie gemacht haben, wo sie gewesen sind oder wie lange der Einkauf gedauert hat. Das setzt sich im digitalen Raum fort, sei es, dass der Standort geteilt werden soll, Air-Tags angebracht werden, das Handy kontrolliert wird. Oder es gibt Kameras im gemeinsamen Haus.

Was löst das bei einem aus?

Es wirkt bedrohlich und ist psychisch belastend. Betroffene sind einem Dauerstress ausgesetzt, weil es keinen Raum mehr gibt, in den sie sich zurückziehen können.

Ist eine Trennung dann nicht sinnvoll?

Zunächst ist klar, die betroffene Person braucht Schutz. Trennungen sind immer an Ressourcen gebunden, oft stellen sich Fragen: Wo wohne ich dann, was passiert mit den Kindern? Das ist nicht leicht. Druck auszuüben, ist da nicht sinnvoll. Die Gewalt kann sich nach Beziehungsende fortsetzen, zum Beispiel indem die Ex­partner:in gestalkt wird, private Informationen oder intime Bilder ins Netz gestellt werden.

Foto: privat

Kristina Lühr

Jahrgang 1981, ist Psychologische Psychotherapeutin und arbeitet bei der Opferhilfe Hamburg.

Fördert die Trennung eine Aggression der Täter?

Das Feminizidrisiko bei einer Trennung steigt. Sie ist eine gefährliche Phase für die Betroffenen. Frauenhäuser bieten Schutz.

Wie gehe ich damit um?

Man sollte damit nicht alleine bleiben, Gewalt, auch digitale, kann isolieren. Suchen Sie sich Hilfe bei Vertrauenspersonen oder Beratungseinrichtungen.

Was machen die dann?

Diskussion „Was tun gegen digitale Gewalt?

Über Prävention und den Schutz von Betroffenen“: Di, 16. 7., 19–21 Uhr, Frauen*bil_dungszentrum Denk(t)räume, Grindelallee 43, Hamburg; Anmeldung per Mail an info@boell-hamburg.de

Wir als Opferhilfe Hamburg bieten psychologische Beratung an. Wir versuchen, die Betroffenen zu stärken, und überlegen gemeinsam, was man in dem spezifischen Fall tun kann: Welche Schutzmöglichkeiten gibt es? Wie kann ich Beweise sichern, zum Beispiel Screen­shots machen?

Was muss gesellschaftlich passieren, um digitale Gewalt zu verhindern?

Wichtig ist Solidarität mit den Betroffenen und Aufklärung, dass es auch strukturelle Probleme sind, die dahinter stecken. Gruppen wie die LGTBTQ*-Community oder BIPoC müssen in ihren Rechten unterstützt werden, denn digitale Gewalt kann zu analoger werden: Menschen werden auf Demos angegangen oder auf der Straße angefeindet. Außerdem braucht es rechtliche und technische Schutzmöglichkeiten sowie gesellschaftliche Sensibilität.