radelnd in den tod von RALF SOTSCHECK
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Die wichtigste Erfindung seit dem späten 19. Jahrhundert ist das Fahrrad, so haben die BBC-Hörer bei einer Umfrage entschieden. Das finden Dublins Verkehrsplaner auch. In den nächsten zehn Jahren wollen sie die Radwege der irischen Hauptstadt verdoppeln. Fünfhundert Kilometer werden es im Jahr 2015 sein – hundert Kilometer mehr als in Amsterdam, der Radmetropole Europas, so frohlockten die irischen Planer.

Sie können sich das Geld sparen. Viel ist es ohnehin nicht. Nach Meinung der Verantwortlichen benötigt man lediglich ein Töpfchen braune Farbe, um einen Radweg zu schaffen. Die bisherigen Fahrradwege sind größtenteils schmale braune Streifen mitten auf der Busspur. Zumindest treibt es die Radfahrer zu erheblicher Eile an, wenn sie von drei Doppeldeckerbussen gejagt werden. Und vielleicht wird einer von ihnen irgendwann Tour-de-France-Sieger, falls er das Dubliner Härtetraining überlebt. Vier Radfahrern ist das in diesem Jahr bereits misslungen. Sie sind tödlich verunglückt. Das ist eine Menge, wenn man bedenkt, dass gerade mal vier Prozent der Dubliner zur Arbeit radeln. In Amsterdam sind es zehnmal so viele. David Maher von der Dubliner Radfahrerinitiative wundert sich darüber. „Dublin ist eine bemerkenswert flache Stadt“, sagt er. „Sie hat ein mildes Klima und sehr wenig Niederschlag. Es ist eine wunderbare Stadt zum Radeln, wenn man die richtigen Gegebenheiten dafür vorfindet.“ Die findet man aber nicht vor. Die Radwege sind von jemandem ausgeheckt worden, der noch nie auf einem Rad saß, sondern seine Zeit mit Geschicklichkeitsspielen am Computer verbrachte. Da hat man aber drei Leben. Beim realen Dubliner Geschicklichkeitsspiel muss man mitunter Schlaglöchern ausweichen, in denen man mühelos Karpfen züchten könnte. Manchmal verläuft der Radweg auf dem Bürgersteig, schwenkt jedoch vor Kreuzungen auf die Fahrbahn und danach wieder zurück, so dass man sich im Slalom zwischen Autos und Fußgängern hindurchschlängeln muss – und Laternenpfählen, die oft mitten auf dem Radweg stehen.

Die North Circular Road gabelt sich im Stadtteil Phibsborough in zwei gleichberechtigte Hauptstraßen. Die eine führt zum Bahnhof, die andere in die Innenstadt. Da niemand wissen kann, wohin die Radfahrer wollen, haben die mit verblüffender Inkompetenz ausgestatteten Planer einen braunen Streifen mit einem kleinen weißen Fahrrad in die Mitte zwischen die Autospuren gepinselt. Nur das Grabkreuz fehlt. Im Internet gibt es davon ein Foto – ein todesmutiger Radfahrer, der auf seinem ein Meter breiten Reservat zwischen einem Bus und einem Lastwagen eingekeilt ist. John Henry von der Dubliner Transportbehörde forderte neulich Unternehmen auf, ihren Angestellten Duschen zur Verfügung zu stellen. „Wir sind viel aggressivere Radfahrer als die Holländer“, sagte er. „Während sie in Amsterdam gemütlich zur Arbeit rollen, treten wir wie verrückt in die Pedale und kommen schweißgebadet im Büro an.“ Ist es vielleicht Angstschweiß?

Man sollte die Verkehrsplaner gesetzlich zwingen, einen Monat lang zur Arbeit zu radeln. Dann gäbe es nämlich bald keine Verkehrsplaner mehr. Dublins Radfahrer wären vor diesen Knalltüten endlich sicher.