Quälen mit endlos langer Rede

Heruntergekommene Berufe: die Landesbischöfin (am Beispiel der Hannoveraner Predigerin Schwester Käßmann)

Zu Zeiten, als der Glaube klein und die Not der Christenheit groß war und viele partout nicht glauben wollten an die heilige Dreifaltigkeit, überdies verstockt und rechte Erzheiden waren, sandte der Herr fromme Männer aus, um zügig Gottes Ernte abzumähen und die Garben der heiligen Seelen in die Scheune des Himmelreichs einzubringen. Einer hieß Bonifatius.

Er ging zu den Friesen, nahm eine Axt und fällte die gewaltige Eiche, welche die Heiden ihrem Gott Donar geweiht hatten. Aus den Spänen machte er ein Bethaus. Zum Lohn sprach der Herr, du sollst Bischof sein und dein Beispiel soll dienen deinen Nachfolgern zur Lehre und Nachahmung. Und so geschah es. Die ihm nachfolgten hießen Cuthberht, Nothelm, Grimo, Hartbert und Käßmann. Und der Herr sprach zu der Letzteren: „Du, Schwester Käßmann, sollst Landesbischöfin von Hannover werden. Sage nicht, ich bin eine schwache Frau, sondern gehe, wohin ich dich sende und predige, was ich dir heiße.“ Zuerst hieß er sie schreiben schnarchdumpfe „Glaubensbegeisterungsbücher“ im Dutzend. Eines über „Glaubensreisen zwischen Himmel und Erde“, eines über „Glauben nach Ground Zero“, ein anderes gab Zeugnis von Käßmanns „Lotterieabend mit Gott“.

Als das getan war, hieß er die Bischöfin predigen wider den wüterischen Theater-Kresnik, den Antichrist, welcher in der Hansestadt Bremen projektiert hatte, die zehn Gebote des Herrn mit nackten Christen zu dekorieren. Und siehe der Antichrist floh und stürzte sich kopfüber in die winterkalte Nordsee. Dann hieß der Herr sie predigen wider die faulenden Greise im Vatikan. „Glauben ist kein alter Hut“, rief die Käßmann. Und siehe, sofort befiel den Wojtyla das Parkinson, und er verstarb.

Nun hieß sie der Herr verkünden die Bulle „Brot statt Böller“ wider das Abschießen von heidnischem Feuerwerk zur Jahreswende. Und siehe, die Krawallbrüder warfen Staub auf ihre Häupter und schrien und klagten bitterlich. Kurz darauf schlug sie eine These an die Marktkirche der Hannoveraner, worin verdammt wurde das allzu frühe Erscheinen der Nikoläuse, dero Gebeine aus Schokolade waren. Und so drohte sie den Kakaofrevlern: „Wer Weihnachtsmänner ausstellt im August, der wird gequälet werden mit meiner stundenlangen Rede.“ Doch weil sie nicht hören wollten, mochte die Bischöfin fortan die Lippen nicht mehr schließen. Sie redete auf Kanzeln und auf Marktplätzen, in Theatern, Mittelschulen und Straßenbahndepots. Am liebsten aber redete sie im Fernsehen. Sie talkte bei Christiansen, palaverte bei Maischberger, redet „Tacheles“ im Armesündersender Phoenix. Sie quasselte über Kartoffelbrei und Gentechnologie, sie ratschte über Marathonläufe und Sterbehilfe, sie tratschte über Mick Jagger und Milchreis, über Chianti und Kondome mit Vanillegeschmack.

Gott gefiel das wohl, denn nun sah er, das Bischofsamt war so weit heruntergekommen, dass kein Mensch es mehr ernst nehmen würde. Zum Lohn gab er den Kirchentag im 2005. Jahr nach Hannover, wo die Käßmann ihre Schäflein hütete. Die Bischöfin versammelte 3.000 Chorsänger, rief biblische Plagen wie den Schorlemmer, die Vollmer, den Küng und den Kunze, ließ allesamt lärmen und tanzen und umeinanderfrömmeln, und die Glocken läuteten vier Tage lang. Einige wurden taub, viele wahnsinnig, manche Nietzscheaner. Schwester Käßmann indes resümierte. „Was ist Glück? Vielleicht nur ein Moment. Tief durchatmen. Alles ist gut.“ Das würde sie bald Herrn Kerner erzählen. MICHAEL QUASTHOFF