Bereit für eine neue Ära

Der FC Bayern München zeigt im deutschen Pokalfinale gegen den FC Schalke 04, dass er zumindest national eine Klasse für sich ist, und lässt sich selbst vom neuen Skandalschiedsrichter Florian Meyer nicht vom 2:1-Sieg abbringen

AUS BERLIN FRANK KETTERER

Ganz am Ende musste man sich doch noch ein wenig sorgen um den FC Bayern aus München. Das Endspiel gegen den FC Schalke 04 war längst mit 2:1 gewonnen, sogar der Pokal an die Sieger schon verteilt und per Ehrenrunde auf fröhliche Reise geschickt durchs proppevolle Stadion, patroulliert von einer tanzenden Schar Bayern-Spieler – und noch immer war weit und breit nichts zu sehen vom Nationalgetränk, kein Schlückchen. Vielleicht hatten sie die Gläser vergessen zu Hause in München, vielleicht die Flaschen nicht aufgekriegt – irgend so eine Tragödie musste sich zugetragen haben, jedenfalls war all das nicht normal. Und wurde, wenn auch verspätet, nämlich just als Eingeborene in Dirndln und Lederhosen die gefüllten Kelche herbei schleppten, doch noch gut. Endlich konnte sie aufs Neue losgehen, die Weißbierduscherei.

Alles ist gut, sehr gut sogar – das war im Anschluss an eine ebenso lange wie erfolgreiche Saison auch der Eindruck, den Felix Magath hinterließ. Seit einem Jahr ist er erst Trainer bei den Bayern, zwei Titel hat er nun schon gewonnen – und dass ihm das eine nahezu buddhaeske Gelassenheit schenkt, ist nicht wirklich eine Absonderlichkeit. „Titel sind wichtig, um Anerkennung zu erreichen“, sagte Magath in seinem feinen Singsang am Samstagabend. Und auch was es bedeutet, dass er den Bayern gleich auf Anhieb das fünfte Double in der Vereinsgeschichte bescherte, ließ der 52-Jährige nicht unerwähnt: „Es ist jetzt leichter für mich zu arbeiten.“

Ein bisschen hinterlässt all das den Eindruck, als wachse da langsam, aber dafür um so sicherer zusammen, was zusammengehört. Felix Magath, bis vor vier Wochen noch Trainer ohne Titel, scheint jedenfalls auf gutem Wege, dem FC Bayern nicht nur ein paar weitere Schalen und Pokale zu bescheren, sondern eine ganze Ära begründen zu können. „Deshalb bin ich zu den Bayern gegangen. Ich fühle mich hier zu Hause“, sagte Magath.

In der Bundesliga haben die Bayern ihre speziell in der letzten Spielzeit abhanden gekommene Überlegenheit längst zurückgewonnen – und nichts könnte dafür besser als Sinnbild stehen als dieses Pokalfinale vom Samstag, in dem sich mit Meister und Vizemeister die beiden anerkannt besten deutschen Vereinsmannschaften gegenüber standen. Und ähnlich wie die ganze Saison verliefen auch diese letzten 90 Minuten von Berlin: Bayern ließ die Schalker ein bisschen mitspielen, ein bisschen hoffen – und schließlich doch wieder verlieren. „Wir haben keinen Zugriff mehr aufs Spiel bekommen“, analysierte Ralf Rangnick und meinte damit vornehmlich die letzte halbe Stunde. Dass der Trainer der Königsblauen sich „dennoch zufrieden“ gab, könnte fast schon als Anerkennung der Münchner Übermacht gewertet werden.

„Man hat auch heute gesehen, dass wir auf der ein oder anderen Position Probleme haben“, sagte Rangnick, was keine sonderlich erfreuliche Erkenntnis ist. Richtig bitter für Rangnick dürfte hingegen sein, dass seine Schalker selbst da, wo sie personell vermeintlich gut aufgestellt sind, ein Defizit gegenüber den Bayern mit sich schleppen; auch das offenbarte das Finale: Wo die Bayern Ballack haben, haben die Schalker nur Lincoln, an Stelle von Makaay lediglich Ailton. So setzt sich das mehr oder weniger fort, selbst zwischen den Pfosten: Rost mag am Samstag fehlerlos gehalten haben, auf der anderen Seite aber stand Kahn, Kosename: der Titan. Der vielleicht wichtigste Punkt im neuen Erfolgsmosaik der Bayern aber dürfte der kleine Buddha auf der Bank sein: Magath hat dem Starensemble wieder einen Plan gegeben, nicht nur Michael Ballack empfindet das so: „Fußball spielen können wir alle. Die Hauptaufgabe, dass die Mannschaft funktioniert, hat er hervorragend gepackt“, lobt der Bayern-Spielmacher den Trainer.

Sie funktioniert mittlerweile so prächtig, dass sie auch von äußeren Umständen kaum mehr aus der Bahn zu werfen ist. Der äußere Umstand am Samstag trug schwarz – und den Namen Florian Meyer. Das Traurigste an ihm aber war, dass auch sein Gepfeife die Saison 2004/2005 widerspiegelte – und damit schlichtweg skandalös war, nämlich so: Zunächst übersah Schiedsrichter Meyer ein Handspiel vom Schalker Vermant im eigenen Strafraum (23.), dann erkannte er einen einwandfreien Treffer von Pizarro wegen Abseitsstellung nicht an (35.), schließlich entschied er bei einer Schwalbe von Ailton auf Elfmeter (den Lincoln in der 45. Minute verwandelte). „Zur Halbzeit hätte es schon 3:0 stehen müssen“, befand ob dieser Blindheit Uli Hoeneß; dank des wunderbar erspielten Führungstreffers von Roy Makaay nach 42 Minuten stand es wenigstens 1:1.

Dass am Ende selbst der Siegtreffer der Bayern nach 76 Minuten durch Salihamidzic regelwidrig, nämlich nach doppelter Abseitsstellung zustande gekommen war, konnte bei der Vorgeschichte nicht einmal die Schalker so richtig in Rage bringen. „Schade“, fand es zwar Trainer Rangnick, mehr aber auch nicht. Uli Hoeneß wiederum glänzte mit der Feststellung: „Auch der Schiedsrichter darf Fehler machen.“ Welches Fass der Bayer-Manager geöffnet hätte, wäre dieses Finale doch noch anders ausgegangen, ist glücklicherweise nicht bekannt. Nur Weißbier, davon muss man ausgehen, wäre nicht hervorgequollen.