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: Die Sprache der „Bild“

Zwei Zeitungsleser beim Sonntagsfrühstück auf dem Balkon

Leser A: Rat mal, wer das geschrieben hat: „Als der BGS-Hubschrauber mit Gerhard Schröder an Bord am Sonntagnachmittag um kurz vor 15 Uhr im Kanzlergarten des Bundeskanzleramtes landete, war die Entscheidung für Neuwahlen also schon längst gefallen. Um kurz nach 15 Uhr erschien Müntefering im siebten Stock des Kanzleramtes, betrat Schröders Büro und sagte leise: „Wir haben NRW verloren …“ Schröder: „Weiß ich schon“. […] Auch als Vizekanzler Joschka Fischer gegen 16 Uhr dazukam, gab es nicht mehr viel zu bereden. […] Um 16.30 Uhr verließ Müntefering das Kanzleramt, Fischer ging eine halbe Stunde später“. Na?

Leser B: Nun, ganz schön viel Faktenhuberei, tun so, als ob sie im BGS-Hubschrauber selbst mit eingeflogen sind – vielleicht ein Teil der großen Spiegel-Titelgeschichte „Flucht in den Kampf – Wie Schröder einem Putsch seiner Partei zuvorkam“?

A: Ja, könnte sein. War’s aber nicht. Beim Spiegel heißt es nämlich: „24 Stunden später folgte die Tat. Gegen 14.20 Uhr landete Schröder mit dem Hubschrauber am Kanzleramt. 40 Minuten später traf auch Müntefering ein. Fischer wurde einbestellt, der gegen 16 Uhr erschien. Längst war abzusehen, dass die SPD nach 39 Jahren in Düsseldorf abgewählt worden war.“

B: Dann vielleicht die Süddeutsche Zeitung? Die räumt doch immer ihre Seite 3 für DAS große Hintergrundstück frei

A: Du meinst wegen des Dienstagsartikels: „[Es] kommen und gehen nach und nach Vertreter aller Parteien: Dirk Niebel, der Generalsekretär der FDP, trifft Sigrid Skarpelis-Sperk vom linken Flügel der SPD. Später kommt Volker Kauder, der CDU-Generalsekretär, noch etwas später Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. Seit etwa zwölf Stunden ist Wahlkampf in Deutschland“? Nein, ansonsten hat sich die SZ da sehr zurückgehalten.

B: Himmel, dann verrat doch endlich, wer da so einen auf Spiegel-Allwissenheit gemacht hat!

A: Also, wer da auch die leisen Worte von Müntefering gehört hatte – war die Bild-Zeitung!

B: Dann müsste man doch jetzt was über Spiegel-Chef Aust und Springer-Chef Döpfner schreiben, wie sie immer enger zusammenarbeiten und wie die Sprache des Spiegel zur Sprache der Bild geworden ist – und natürlich umgekehrt!

A: Ja, aber dafür gibt es ja wirklich genug andere Gelegenheiten. Jetzt hätte ich erst mal gern den Sportteil. HANNAH PILARCZYK