Festnahmen in Bolivien: Verschwörung oder Inszenierung?

Nach einem Putschversuch in Bolivien wurden 21 Menschen festgenommen. Derweil führt die Regierung interne Machtkämpfe.

Der bolivianische General Juan Jose Zuniga wird in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegt, nachdem er von den Behörden wegen eines Putschversuchs verhaftet wurde, in La Paz, Bolivien, 29. Juni 2024.

Der bolivianische General Juan José Zúñiga bei seiner Festnahme am 29. Juni 2024 Foto: Claudia Morales/reuters

BOGOTA taz | General Juan José Zúñiga hat bei seiner Festnahme nach dem mutmaßlichen Putschversuch vom letzten Mittwoch gesagt, er habe den Staatsstreich im Auftrag von Präsident Luis Arce inszeniert – um dessen Beliebtheit zu steigern. Ein Richter ordnete gegen den bisherigen Armeechef und zwei Generäle eine sechsmonatige Untersuchungshaft an.

Ihnen drohen bis zu 20 Jahre Haft wegen Terrorismus und Beteiligung an einem bewaffneten Aufstand. Schwer zu glauben, dass Zúñiga das kurz vor seiner Pensionierung riskierte, um dem Präsidenten einen Gefallen zu tun.

21 Menschen sind seit Mittwoch festgenommen worden – bis auf einen alles Militärs. Deren Angehörige sagen, diese seien von Zúñiga getäuscht worden und unschuldig. Der zivile Festgenommene war laut Regierungsminister Eduardo de Castillo der Ideologe des vereitelten Putschs: Aníbal Aguilar Gómez. Der 71-Jährige ist der Bruder des früheren Bildungsministers. Er gehört zum engeren Kreis von Ex-Präsident Evo Morales, stritt eine Beteiligung ab und trat in den Hungerstreik. Aguilar Gómez ist laut der Zeitung El Deber Ex-Berater des Verteidigungsministeriums und Experte für strategische Finanzplanung.

Präsident Arce widersprach Zúñigas Version vom Auftragsputsch: Dieser habe selbst Präsident werden wollen. Die Regierung untersucht laut Arce, ob der Putschversuch von der rechten Opposition organisiert worden sei. Außerdem sei seine Regierung von Ex-Präsident Morales „politisch angegriffen“ worden.

Morales wirft Arce einen „Putsch gegen sich selbst“ vor

Der stellt sich hinter die in Bolivien verbreitete Theorie eines gescheiterten Selbstputsches. Weitere Führungspersönlichkeiten der Partei MAS („Bewegung für den Sozialismus“) schlossen sich an: Arce habe einen Putsch organisiert, um sich als Retter der Demokratie inszenieren zu können.

Die Reaktionen zeigen den Machtkampf innerhalb der dominierenden MAS und die Blockade im Land. Arce und sein einstiger Förderer Morales sind längst verfeindet. Morales, der seit seiner Rückkehr aus dem Exil 2020 die MAS führt, will 2025 wieder Präsident werden. Bei einem Parteikongress, bei dem Arce und Teile der Partei fehlten, ließ er sich zum einzigen Kandidaten wählen.

Arce hält Morales’ Kandidatur für verfassungswidrig und will selbst kandidieren. Den Streit tragen seitdem Parteiflügel und Gerichte aus. Eine wichtige Rolle spielen die sozialen Organisationen, die Basis der Partei, die teils für Arce, teils für Morales demonstrieren.

Was hat das mit dem Putschversuch zu tun? General Zúñiga hatte am Vortag gedroht, eine Wiederwahl von Morales nicht zuzulassen. Daraufhin setzte Arce ihn ab. Als Kommandant der Streitkräfte darf sich Zúñiga nicht politisch einmischen. Einen Tag später stand der General dann mit Militäreinheiten auf der Plaza Murillo.

Politische Blockade als Folge des internen Machtkampfes

Die Folge des internen MAS-Machtkampfs ist eine politische Blockade. Im Parlament gibt es zwei Oppositionen: die offizielle Opposition zur MAS und den Morales-Flügel innerhalb der Partei. Die Institutionen liegen brach – allen voran die Justiz, die als politisch beeinflusst gilt.

Dabei wäre Handeln dringend nötig. Bolivien leidet unter der sogenannten „holländischen Krankheit“: Rohstoffe verkaufen und mit den Einnahmen Importwaren bezahlen. Doch der Gasexport ist massiv gesunken. Schon unter Morales wurden keine neuen Vorkommen erschlossen. Die Goldreserven sind weitgehend verbraucht, Devisen knapp. Das Land hat die weltgrößten Lithiumreserven, doch der Abbau geht nicht voran, auch wegen der Blockade im Parlament.

Importwaren sind stark im Preis gestiegen. Bo­li­via­ne­r:in­nen spüren erste Einschränkungen im Geldverkehr. Manche Fluglinien akzeptieren für internationale Flüge nur noch eine Bezahlung in Dollar. Das subventionierte importierte Benzin ist knapp, die Preise für Waren des täglichen Bedarfs sind gestiegen – laut Regierung wegen El Niño, Lebensmittelschmuggel ins besser zahlende Ausland und wegen Streiks der Fahrer wegen Benzinknappheit. Laut der Präsidialministerin steckt Morales hinter den Blockaden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.