Für Kinder nur ein Grundsicherungchen

Die Kindergrundsicherung sollte die größte Sozialreform der Ampel werden. Viel ist von ihr aber nicht mehr übrig. Auch die Haushaltseinigung gibt für das Projekt wenig her

Von Tobias Schulze

Es steht nicht gut um die Kindergrundsicherung. In den letzten Tagen vor den Parlamentsferien haben die zuständigen Ampelabgeordneten wieder stundenlang über das Projekt verhandelt, das einmal als größtes sozialpolitisches Vorhaben der Koalition bezeichnet wurde. Eine Einigung gab es aber wieder nicht. Stattdessen haben die Pläne für den Bundeshaushalt 2025, auf den sich die Regierungsspitzen am Freitag verständigten, neue Zweifel hervorgerufen: „Die Kindergrundsicherung wird auf unbestimmte Zeit verschoben. Das ist ein Schock für alle armen Familien“, sagte nach der Veröffentlichung Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VDK.

Schöner klingen die Formulierungen aus der Ampel selbst. Der Haushalt biete eine gute Grundlage für die weiteren Verhandlungen, heißt es aus der Grünen-Fraktion. Von dem, was der Koalitionsvertrag für die Kindergrundsicherung vorgesehen hatte, sind mittlerweile aber tatsächlich nur noch Fragmente übrig.

Erstens sollten in der Kindergrundsicherung die diversen bisherigen Leistungen für Kinder gebündelt werden. Zumindest bis 2025, das zeigt spätestens die Haushaltseinigung, wird das nichts: Vereinbart sind jetzt separate Erhöhungen beim Kindergeld und beim Kindersofortzuschlag für Bürgergeld-Familien – erst mal bleiben also beide Leistungen separat bestehen. Perspektivisch ist die Bündelung zwar noch nicht offiziell beerdigt, die Erfolgsaussichten sind aber nicht mehr groß. Mehr und mehr setzt sich die Ansicht durch: Alle Leistungen an einer Stelle zu bündeln, könnte den Aufwand eher erhöhen als senken. Manche Familien müssten dann sogar mehr Anträge stellen als bisher.

Dieses Kind hat vielleicht auch mehr von den Ampelversprechen gegen Kinderarmut erwartet Foto: Giorgio Magini/Westend61/imago

Zweitens sollte die Kindergrundsicherung eigentlich ein „neu zu definierendes soziokulturelles Existenzminimum sichern“. Frei aus dem Behördendeutsch übersetzt: Die Leistungen sollten steigen. Das tun sie jetzt, aber nur minimal. Die Haushaltseinigung sieht 5 Euro mehr beim Kindergeld und beim Kindersofortzuschlag für Bürgergeld-Familien vor. In Zukunft, so steht es in einem Grünen-Papier zur Einigung, sollen beide Leistungen parallel zum Kinderfreibetrag steigen, von dem Gutverdiener profitieren. 2024 und 2025 wird die Ersparnis durch den Freibetrag aber noch mal stärker wachsen als das Kindergeld.

Drittens sollte die neue Kindergrundsicherung eigentlich automatisiert ausgezahlt werden. Schon länger ist klar, dass auch daraus nichts wird. Die Angaben, die es für die Berechnung braucht, sind über diverse Behörden verteilt und können nicht einfach an einer Stelle zusammengefügt werden. Immerhin ist jetzt angedacht, dass Familien unkompliziert und unverbindlich prüfen lassen können, ob sie ein Anrecht auf den Kinderzuschlag haben könnten. Das ist eine weitere bestehende Leistung für Familien, die zwar wenig Geld haben, aber doch zu viel fürs Bürgergeld. Bislang nimmt nur ein Teil der Berechtigten das in Anspruch. Die Quote soll durch die neue Prüfung steigen. Schon im letzten Jahr ist die Zahl der Anträge gestiegen, möglicherweise allein durch die Debatte zum Thema. Um der gestiegenen Nachfrage zu entsprechen, sind in der Haushaltseinigung 1,1 Milliarden Euro zusätzlich vorgesehen. Bislang ist das aber auch der einzige Erfolg des Projekts Kindergrundsicherung.