Eines der letzten Schlupflöcher

Der alternative Kulturraum Loophole in Neukölln ist geschlossen, zumindest vorerst

Von Fabian Schroer

Noch sieht es in der Boddinstraße 60 aus wie immer. Die mit Graffiti bemalten Rollläden des kleinen Ladens hängen schief in den Schienen. Auf den bunten Wänden kleben mehrere Schichten politischer Plakate und Infos zu Kulturveranstaltungen. Im Eingang liegt etwas Papiermüll. In einer Ecke steht, fast unscheinbar, in schwarzer Heavy-Metal-Schrift das Wort „Loophole“ geschrieben.

Das Loophole schließt, zumindest vorerst. Am vergangenen Donnerstag hatte das Team des alternativen Neuköllner Kreativraums auf seiner Instagram-Page verkündet, dass es nun vorbei sei – nach über 15 Jahren mit Konzerten, Performances und Partys. Das Loophole gehörte zu der Sorte von Orten, wie man sie in Berlin nur noch selten findet. In drei staubigen Räumen bekam alles eine Bühne geboten, was nicht in den Mainstream passte – von Punk-Konzerten über Free-Jazz, Veranstaltungen des Berlin Stripper Collectives bis hin zum Filmfestival Boddinale, dem Kontrastprogramm zur Berlinale. Besonders neue Be­su­che­r*in­nen staunten über die übergroße Pantomimen-Maske an der Tür zur Tanzfläche, die kunstvoll gestalteten Wände oder das glitzernde Relief aus Spielzeug über der Bar.

Das Ende kam nun abrupt. Mitbegründer Jan Gryczan ist Teil des Kollektivs, welches das Loop­­hole betreibt. Er schildert, wie bei einem Konzert am Mittwoch unerwartet Polizei und Ordnungsamt erschienen seien und die Veranstaltung abbrachen. „Das Team hat das als sehr einschüchternd empfunden, wir wollen ja eigentlich ein Safespace sein“, sagt er. Die Beamten hätten Team- und Bandmitglieder festgesetzt, Personalien aufgenommen und schließlich die Räume versiegelt. Sie dürften erst wieder betreten werden, wenn alle kommenden Veranstaltungen abgesagt seien. Auf eine Anfrage der taz reagierte das Ordnungsamt Neukölln bisher nicht.

Grund für die Probleme seien laut Gryczan vor allem immer wieder Lärmbeschwerden von Nachbar*innen. Wer regelmäßig im Loophole war, weiß, dass man gerne mal vom Balkon aus einen Eimer Wasser über den Kopf geschüttet bekam, wenn man rauchend auf dem Gehsteig stand. Auch Beleidigungen und Vandalismus habe es laut den Betreibenden gegeben. Das Kollektiv habe sich zwar immer um Dialog bemüht, doch der sei mit der Zeit unmöglich geworden.

Gryzan weiß, wovon er spricht, wenn es um den Verlust von Kulturorten in Berlin geht – mit dem LA54 in Berlin Friedrichshain und dem Eigenreich in Prenzlauer Berg war er bereits an mehreren beteiligt. „Im Loophole haben wir die Probleme bisher immer überwunden und konnten weiterkämpfen, aber dieses Mal sieht es wirklich arg aus.“

Mit dem Loophole würde Neukölln nicht nur einen seiner beliebtesten Underground-Veranstaltungsorte verlieren, sondern gleichzeitig einen seiner solidarischsten. An den manchmal bis zum Bersten vollen Abenden kamen Menschen verschiedenster Couleur miteinander ins Gespräch, auch die queere Community fühlte sich hier zu Hause. Das ehrenamtliche Team legt großen Wert auf Inklusion, Entscheidungen werden hierarchiefrei getroffen, Eintritts- und Getränkepreise waren moderat.

Gerade daher führt das Nutzungsverbot nun zu erheblichen Herausforderungen für die Betreibenden. Die mehr als 3.000 Euro Miete plus laufende Kosten fallen weiterhin an, der Mietvertrag ist auf fünf Jahre vereinbart, rund 75 Veranstaltungen bis zum Jahresende müssen abgesagt werden.

Doch etwas Hoffnung gibt es noch. Das Loophole versucht einen Weg zu finden, die Räume an der Boddinstraße wieder öffnen zu können, diesmal dann ohne Konzerte. Auf seiner Website hat das Kollektiv eine Crowdfunding-Kampagne eingerichtet, um die entstehenden Kosten zu decken, und eine Petition gestartet, um Verantwortliche bei Stadt und Behörden aufmerksam zu machen. Langfristig wird ein neuer Ort gesucht, an dem es weniger Probleme gibt. Dafür hofft das Kollektiv auf Hinweise und vor allem auf öffentliche Unterstützung.