„Nazis haben Konzepte“

Katharina König-Preuss warnt, Nazis wollten die alten Bundesländer von den neuen aus erobern

Aus Erfurt Plutonia Plarre

Gehen oder bleiben, kämpfen oder resignieren? Auch darum ging es am Sonntag im Zughafen von Erfurt. Die Linkenpolitikerin Katharina König-Preuss, seit 2009 Thüringer Landtagsabgeordnete, und Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, saßen in verschiedenen Diskussionspanels.

„Man kann es noch drehen – vielleicht auch die Wahlen“

Jens-Christian Wagner, Gedenkstättenleiter

Wagner war im September 2023 bei der Bürgermeisteramtswahl in Nordhausen an den demokratischen Protesten gegen den AfD-Kandidaten beteiligt. Zwei Wochen Zeit waren bis zur Stichwahl. Unter Aufbietung aller Kräfte war es einem breiten gesellschaftlichen Bündnis in letzter Minute gelungen, den AfD-Kandidaten zu verhindern. Den Moment, als das Ergebnis bekannt gegeben wurde, beschrieb Wagner am Sonntag so: „Das war einer der schönsten Tage meines Lebens.“ Es sei das beste Beispiel dafür, dass sich kämpfen lohnt. Der Funke sei auf Menschen übergesprungen, die resigniert hätten oder sich ohnmächtig fühlten. Selbst alte Leute, die schon lange nicht mehr zur Wahl gegangen seien, hätten sich an den Protesten beteiligt. „Aus dieser einmaligen Erfahrung nehme ich mit, man kann es tatsächlich noch drehen – vielleicht auch die Landtagswahlen“, übte sich Wagner mit Blick auf den 1. September und die hohen Umfragewerte für die AfD ein wenig in Optimismus. Aber der Gedenkstättenleiter berichtete auch von anderen Erfahrungen. Im Zug von Erfurt nach Weimar habe er einen jungen Mann in einer Uniform der Waffen-SS gesehen. Wenn das Hakenkreuz abgeklebt oder abgetrennt ist, ist das nicht verboten. Keiner der Fahrgäste habe reagiert, wenngleich jeder wisse, „das kann nicht normal sein, wenn so ein Mensch im Zug sitzt“, sagte Wagner. Er habe seinen Protest zum Ausdruck gebracht und auch Anzeige gegen den Mann erstattet, sagte Wagner. „Viele gucken weg.“ Angst möge da eine Rolle spielen, aber auch eine gewisse Form von Bequemlichkeit. „Aber man darf dem Konflikt nicht aus dem Weg gehen.“ Auch bei Kollegen erlebe er bisweilen Angst, Protest­erklärungen zu unterschreiben. Aus Sorge, die Unterschrift könne sie nach den Wahlen „einholen“.

Katharina König-Preuss engagiert sich seit ihrer Jugend gegen Rechtsextremismus. Aufzugeben käme auch ihr nicht in den Sinn, sagte sie am Wochenende. Sie würde niemanden verurteilen, der Thüringen den Rücken kehre oder vom Land in die Stadt ziehe, sagte sie. Für Menschen mit Migrationshintergrund oder Punks, die rechtsextremer Gewalt zuförderst ausgesetzt seien, stelle sich diese Frage zumeist aber gar nicht. „Sie können nicht gehen.“ Von allen, die gingen, fordere sie aber, die Hierbleibenden weiter zu unterstützten, sagte König-Preuss und entwarf ein düsteres Zukunftsszenario: „Nazis haben Konzepte. Sie erobern die Stadt vom Land aus. Die alten Bundesländer von den neuen aus.“ Und dann brach die Linkenpolitikerin eine Lanze für die antifaschistischen Strukturen. Seit den 90er Jahren baue sie auf diese. „Ich bin noch nie enttäuscht worden.“