Die grüne Lobby ist gelassen

Ökostrombranche und Biolandwirtschaft rechnen nicht mit massiven Problemen durch eine schwarze Bundesregierung – wohl aber mit einzelnen Verschlechterungen

BERLIN taz ■ Sollte es im Herbst zum Wechsel der Bundesregierung kommen, hinterlässt Rot-Grün den schwarz-gelben Nachfolgern eine ökologische Wirtschaftslobby. Deren Vertreter sind angesichts der Neuwahlen im September einigermaßen gelassen. Die Erneuerbaren Energien säßen grundsätzlich „gut im Sattel“, sagt etwa Bernd Hirschl vom Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin. Ähnlicher Ansicht ist Alexander Gerber, Geschäftsführer des Bundes für Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Mit massiven Verschlechterungen zu Lasten der Ökolandwirtschaft im Falle einer schwarz-gelben Koalition auf Bundesebene rechnet Gerber zunächst nicht.

Nach sieben Jahren rot-grüner Regierungstätigkeit existiert eine neue Wirtschaftslobby, die besonders durch die Politik der grünen Ministerien stark gewachsen ist. Die grüne Ministerin Renate Künast ließ in die Agrarwende investieren, Kollege Jürgen Trittin lenkte die Mittel aus dem Umweltministerium in Richtung der Erneuerbaren Energien. So umfasst die Ökolandwirtschaft inklusive Weiterverarbeitung und Handel mittlerweile rund 160.000 Arbeitsplätze. Bei den Ökoenergie sind es etwa 100.000.

Hinzu kommen hunderttausende Jobs, die in mittelbarem Zusammenhang mit einer von der Grünen stimulierten Innovationsfreude stehen: Ingenieure, die Katalysatoren für Kfz entwickeln, Firmen, die Dieselrußfilter herstellen, Planer, die den Ressourceneinsatz in der Industrie verringern. Alles in allem dürfte die nachhaltige Wirtschaft 500.000 Arbeitsplätze umfassen – Tendenz steigend.

Auf diese Jobs und den Einfluss der entsprechenden Verbände wird auch die Union nicht verzichten wollen. Dementsprechend kündigte der neue CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen an, dass „Schleswig-Holstein Motor der regenerativen Energien bleiben“ werde. Der Bundesverband Erneuerbare Energie kommentierte zufrieden.

Nach Einschätzung von IÖW-Forscher Hirschl sind nicht nur die Beziehungen zwischen den Grünen und den neuen Energieproduzenten, sondern auch zwischen diesen und Union recht eng. „Schwerpunkte der Industrie liegen in CDU-Ländern“, so Hirschl: außer in Schleswig-Holstein auch in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen. Womit die Branche allerdings rechnet, sind Einschnitte in das Erneuerbare-Energie-Gesetz, eines der Lieblingsprojekte der Grünen. Hier werde wahrscheinlich nach 2008 die Fördersätze für Strom aus Wind und Sonne gekürzt. Bei der Produktion von Photovoltaik könne so etwas durchaus zu Problemen führen, so Hirschl. Bei Windanlagen aber eher nicht. Denn die Expansion an deutschen Landstandorten habe ohnehin ihren Höhepunkt überschritten.

Bei der Förderung für die Biolandwirtschaft befürchtet BÖLW-Geschäftsführer Gerber keine Einschnitte, die kurzfristig zu Lasten der Rendite gehen würden. Mittelfristig könne es aber zu Problemen kommen, wenn die Union die von Agrarministerin Künast geplante strikte Reglementierung der grünen Gentechnik abschwäche. Dann könnten die Kosten steigen, die Bioproduzenten aufwenden müssten, um ihre Produkte gentech-frei zu halten. HANNES KOCH