Das hat Oskar davon

Lafontaine hat die Genossen von der PDS aufgeweckt. Plötzlich glaubt die Ostpartei wieder an sich

Das Ziel ist: über 5 Prozent der Zweitstimmen. Und fünf Direktmandate

AUS BERLIN JENS KÖNIG

„Wenn Oskar Lafontaine mit uns reden will, bitte schön, dann darf er ruhig kommen“, sagt Bodo Ramelow. „Er ist herzlich eingeladen.“

Ramelow steht breitbeinig in der Kongresshalle in Berlin. Die Arme vor der Brust verschränkt, breites Lächeln im Gesicht, im linken Ohr ein silberner Stern. Vor ein paar Monaten wäre Ramelow noch mit dem Fahrrad um die halbe Welt gereist, um beim großen Oskar irgendwo für fünf Minuten am Katzentisch Platz nehmen zu dürfen. Jetzt darf der Herr Lafontaine gerne zu diesem Ramelow kommen. Aber selbstverständlich nur, wenn er etwas zu sagen hat.

Das hat der Oskar nun davon. Vor einer Woche trat er in der Bild-Zeitung die Lawine mit der neuen Linkspartei los, die Medien schrieben aufgeregt über das Traumpaar Gysi/Lafontaine, und einige in der PDS-Führung taten so, als stehe August Bebel höchstpersönlich kurz vor dem Eintritt in die kleine Ostpartei. Jetzt haben alle Beteiligten einmal tief durchgeatmet, und die Schlachtordnung links von der SPD ist wieder relativ übersichtlich. Es bleibt eine reizvolle Idee mit schier unüberwindbaren praktischen Schwierigkeiten. Es bleibt ein mit sich selbst beschäftigter Oskar Lafontaine. Aber vor allem gibt es da eine Partei, die ein paar Tage gebraucht hat, um zu realisieren, dass ihre Chancen auf den Wiedereinzug in den Bundestag besser stehen, als sie selbst glaubte. Die Linkspartei ist tot, es lebe die PDS!

Der 49-jährige Ramelow ist die Verkörperung dieses neuen Selbstbewusstseins der PDS. Das hat zum einen mit seiner Funktion zu tun. Ramelow ist ja nicht nur Fraktionsvorsitzender der Thüringer PDS, sondern vor allem Wahlkampfchef seiner Partei. Da muss er schon von Amts wegen eine breite Brust machen. Zum anderen erklärt sich Ramelows Überzeugung von der eigenen Stärke mit seiner Herkunft.

Er entstammt den sozialen Bewegungen der Bundesrepublik. Er ist ein mit allen Wassern gewaschener Gewerkschaftsprofi. 1990 kam er aus Hessen nach Thüringen. Erst 1999 stieß er zur PDS und verwandelte die Thüringer Landtagsfraktion aus einem biederen Haufen in eine schlagkräftige Opposition zur allein regierenden CDU. Den Weg, den viele Leute aus der Linkspartei WASG nicht gehen wollen, weil sie in der PDS nur die SED-Nachfolgepartei sehen, hat Ramelow schon hinter sich. Das verleiht ihm Unabhängigkeit – gerade gegenüber den Gewerkschaftern bei der WASG, seinen alten Kumpels. Er versteht ihre Vorbehalte, auf einer offenen Liste für die PDS zu kandidieren. Aber er findet, er sei ein lebendiges Beispiel dafür, dass man eine Mitgliedschaft in der PDS überleben und als Wessi im Osten Politik machen kann.

„Meine alte Tante lebt in einem kleinen Dorf in Rheinhessen“, erzählt Ramelow. „Als ich in die PDS eingetreten bin, war sie fassungslos. ‚Warum tust du mir das an’, sagte sie. Heute ist sie stolz auf mich. Sie sieht, dass ich in Thüringen etwas bewegt habe.“

Ramelow ist der neue starke Mann der PDS. Manche sehen in ihm schon den Nachfolger von Parteichef Lothar Bisky. Wo Bisky moderiert, macht Ramelow klare Ansagen. Als sich die PDS-Führung am Sonnabend in Berlin zu einem kleinen Parteitag traf, war es vor allem der Wahlkampfchef, der die Linie für die Monate bis zu Neuwahlen vorgab. Erst kommt die PDS, war seine Botschaft, und erst dann, wenn überhaupt, ein linkes Bündnis mit der WASG. „Wir müssen uns vor allem das deutsche Wahlrecht angucken“, mahnte er, „für ein Wolkenkuckucksheim bin ich nicht zu haben.“ Und dann noch mal zum Mitschreiben für alle: „Was nicht geht, ist die Auflösung unserer Partei.“

Ramelow ist sich mit Bisky und Gregor Gysi einig: Die Zeit, um eine neue Linkspartei auf die Beine zu stellen, ist bis zur Bundestagswahl im September zu kurz. Die abgespeckte Variante, ein Wahlbündnis von PDS und WASG, steht juristisch auf wackeligen Füßen. Die PDS darf nicht das Risiko eingehen, dass sie am Ende zur Bundestagswahl gar nicht zugelassen wird. Also bleibt eigentlich nur das Angebot der ostdeutschen Genossen, dass einzelne Mitglieder der WASG auf einer offenen Liste der PDS kandidiert, verbunden mit der Perspektive, nach einer erfolgreichen Bundestagswahl über eine engere Kooperation der beiden Parteien zu beraten. Aber genau das lehnt die WASG-Führung bislang kategorisch ab.

Also mahnt Gysi die PDS, der WASG so weit wie möglich entgegenzukommen. Bisky spricht von einer „Zukunftschance“ und hält den westdeutschen Linken freundlich alle Türen offen. Ramelow jedoch denkt lieber einmal zu viel als einmal zu wenig an das Überleben seiner eigenen Partei. Er hat 20 Jahre lang Tarifverhandlungen geführt. Er weiß, dass hinterher immer weniger herauskommt, als vorher versprochen wird. „Klappern gehört zum Geschäft“, sagt er.

Heute trifft sich die PDS-Spitze in Berlin zu einem ersten offiziellen Gespräch mit den Führungsleuten der WASG. Ramelow hat die Bedingungen am Wochenende deutlich formuliert: Verhandlungen auf Augenhöhe, keine Träumereien, alles muss juristisch wasserdicht sein. „Wir haben jetzt drei Wochen Zeit, danach muss definitiv eine Entscheidung fallen.“

Bis dahin arbeitet Ramelow daran, dass die PDS aus eigener Kraft den Einzug in den Bundestag schafft. Die Partei will er als einzige antineoliberale Kraft in Deutschland positionieren. Sein Wahlkampfmotto, kreativ geklaut bei Franz-Josef Strauß selig: „Freiheit oder Kapitalismus“. Sein Ziel: Über 5 Prozent der Zweitstimmen. Und fünf Direktmandate – Bisky und die stellvertretende Parteivorsitzende Dagmar Enkelmann sind dafür in Brandenburg gesetzt, die beiden Bundestagsabgeordneten Petra Pau und Gesine Lötzsch in Berlin. Ende dieser oder Anfang übernächster Woche will Ramelow dann den eigentlichen Garanten für den Erfolg der PDS präsentieren. An Oskar Lafontaine auf einer offenen Liste der PDS denkt Ramelow dabei ganz offenbar nicht.

„Ich warte nur auf einen einzigen“, sagt er. „Auf Gregor Gysi.“