meinungsstark
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Scheuklappen

„Ich kann nicht für die anderen kämpfen“,

taz vom 23. 6. 24

In Köln haben wir Beate Klarsfeld beim Barbie-Prozess erlebt. Die Courage war bewundernswert und vorbildlich. Aber jetzt scheinen die Scheuklappen doch sehr viel auszublenden: wenn Juden plötzlich unter Rechten Freun­d:in­nen haben, sollten sie vielleicht skeptischer sein. Wem gilt die Sympathie und die Verbundenheit? Dem Judentum? Oder doch eher dem rechtsextremen jüdischen Staat?

Ist es nicht eher eine Freundschaft unter Faschisten? Sollte man sich da nicht die Frage über die Verfasstheit der israelischen Gesellschaft stellen, wenn man plötzlich solche Freunde hat? Wünschenswert wäre die Fortsetzung des Kampfes von Beate und Serge Klarsfeld für Menschlichkeit und gegen Barbarei. Ich selber bin Jüdin und Tochter von Überlebenden der Schoah und Widerstandskämpfer und kann auf Philosemiten gerne verzichten. (Schlimm, dass man meint, das dazusetzen zu müssen, um so eine Position zu „legitimieren“.)

Gila Matuszak, Kürten

Öffentliche Wahrnehmung

„Die Republik schaut auf diesen Mann“,

wochentaz vom 22.–28. 6. 24

„In kaum acht Jahren war Zidane in der öffentlichen Wahrnehmung vom König zum Kriminellen geworden.“ Dieser Satz scheint mir zu leichtfertig und zu wenig differenziert zu sein. Er bezog sich auf die Reaktionen nach Zidanes heftigem Kopfstoß beim WM-Finale 2006. Ich glaube auch nicht, dass die Schlagzeile „Ciao, Gauner“ in einem rechtsextremen Blatt die gesamtfranzösische Wahrnehmung geprägt hat. Ich lebte zu diesem Zeitpunkt mit meinem Mann in Marseille; wir sind große Fußballfans; unsere Terrasse war das WM-Studio. Die Tätlichkeit Zidanes, die zu einer roten Karte führte, wurde überall heiß diskutiert.

Im Süden Frankreichs wurde Zidane keineswegs für diese Aktion verurteilt. Da war der Tenor eher: „Das hat Zidane doch super gemacht und dem Italiener mal gezeigt, wo’s langgeht.“ So tickte man in Marseille, vielleicht auch ein bisschen aus Solidarität, denn ihr „Zizou“ ist schließlich in Marseille geboren. Im Norden der Republik sah es hingegen anders aus. Da war von der Verantwortung als Kapitän gegenüber seiner Mannschaft die Rede, und dass der Kopfstoß und die rote Karte das Team geschwächt und vielleicht beim späteren Elfmeter­schießen vielleicht sogar den Titel gekostet haben.

Christiane de Carvalho, Wiefelstede