„Erpressung ist in diesem Fall nicht gegeben“

Der Jesuit und Aktivist Jörg Alt hat dem Klimaschützer Wolfgang Metzeler-Kick, den er seit Langem kennt, vom Hungerstreik abgeraten. Trotzdem unterstützt er ihn – und kritisiert die Bundesregierung scharf

Interview Stefan Hunglinger

wochentaz: Herr Alt, Sie kennen Wolfgang Metzeler-Kick seit Langem, haben schon Aktionen mit ihm gemacht. Können Sie als Priester gutheißen, dass er sein Leben riskiert?

Jörg Alt: Ich habe von Anfang an abgeraten von dem Hungerstreik, weil ich eben nicht überzeugt war, dass er zur jetzigen Zeit erfolgreich sein kann. Die Situation ist ganz anders als beim Hungerstreik 2021 im Bundestagswahlkampf. Weil die rechte Seite deutlich stärker geworden ist. Das macht es einem Politiker noch mal schwerer, auf solche Forderungen einzugehen. Aber nachdem Wolfgang sehr reflektiert die Dinge bedacht hat und sich dafür entschieden hat, diesen Weg trotzdem zu gehen, respektiere ich das und unterstütze, wo ich nur kann.

Kri­ti­ke­r:in­nen führen die Verantwortung für seinen Sohn an.

Verantwortung für Kinder kann zwei Dimensionen haben. Das eine ist, ob ich mein Kind in eine absehbar schwierigere Zukunft persönlich begleite, oder ob ich versuche, diese absehbar schlimme Zukunft bestmöglich noch in irgendeiner Weise beeinflussen zu können.

Am Donnerstag sprach der Kanzler vom Klimawandel als der größten globalen Herausforderung. Das ist nicht gerade Klimawandel-Leugnung.

Der eine Punkt ist ja, dass wir eigentlich gar kein CO2-Budget mehr haben, dass wir schon jetzt auf Kosten des Globalen Südens und der kommenden Generation leben. Die Bundesregierung erweckt aber immer noch den Eindruck, dass es alles gar nicht so schlimm ist, dass wir noch Reserven haben und dass die Technik uns irgendwie retten wird. Wir hören schon seit Angela Merkel, dass der Klimawandel eine große Herausforderung ist, zugleich hat sich im politischen Handeln nichts angemessen schnell verändert, und darum geht es ja.

Es gibt auch aus der Klimabewegung Kritik. Hoffnungslosigkeit könne dazu führen, dass Menschen sagen: „Dann ist ja schon alles egal.“

Jeder Mensch ist für das verantwortlich, was er entscheidet und tut, und ich würde dann eher wie Papst Franziskus sagen: Wer bin ich, über Wolfgang und seine Entscheidung zu richten? Ich bin über seine Entscheidung nicht glücklich, aus vielen Gründen. Aber ich respektiere sie.

Jörg AltJahrgang 1961, Jesuitenpater und Sozialwissenschaftler aus Nürnberg. Bei Aktionen mit der Letzten Genera­tion hat er sich strafbar gemacht.

Manche sprechen von Erpressung.

Erpressung ist letzten Endes, dass man von einem anderen etwas erzwingen will zum eigenen Vorteil, und das ist in diesem Fall nicht gegeben. Worum es bei dem Hungerstreik geht, ist, dass das der Öffentlichkeit vor Augen gestellt werden soll, wovor Wissenschaft und Aktivisten seit Jahrzehnten warnen. Ohne den Hungerstreik würden wir dieses Interview nicht führen. Er hat durchaus das Potenzial, in der Gesellschaft eine Debatte anzuschieben.

Der Kanzler sagte, ein Bekenntnis sei „kein Ausweg, denn es ist keine religiöse Veranstaltung“. Ist Klimaprotest für Sie etwas Religiöses?

Das ist völliger Blödsinn. Klima­gerechtigkeit ist kein Gegenstand der Religion, sondern der Ethik. Religion ist Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht. Aber wir sehen ja, dass die Vorhersagen der Klimawissenschaft alle eintreffen, nur eben schneller als ursprünglich angenommen.