Lehrer fordern Schule für alle

Der Lehrerverband „Verband Bildung und Erziehung“ (VBE) fordert für Nordrhein-Westfalen eine Schule für alle bis zum ersten Schulabschluss. Schulen sollen Freiheit bei der Ausgestaltung erhalten

AUS DÜSSELDORFELMAR KOK

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE), Mitglied im Deutschen Beamtenbund, hat gestern in Düsseldorf von der zukünftigen Regierungskoalition von FDP und CDU eine grundlegende Reform des Schulsystems gefordert. Bis zum Erreichen des ersten Schulabschlusses sollten alle Kinder in Nordrhein-Westfalen gemeinsam an einer Schule lernen, forderte der NRW-Landesvorsitzende des VBE, Udo Beckmann. Der VBE-NRW hat rund 21.000 Mitglieder.

Aus pädagogischen und demografischen Notwendigkeiten bliebe der neuen Regierung keine andere Möglichkeit, als eine solche Reform einzuleiten, sagte Beckmann. Die Forderungen des Lehrerverbandes stützen sich auf ein Gutachten des Dortmunder Schulentwicklungsforschers Ernst Rösner. Rösner, Forscher am Institut für Schulentwicklungsforschung der Universität Dortmund, hat die Untersuchung im Auftrag des VBE erstellt. Das Gutachten, das der VBE bewusst nicht vor der Landtagswahl veröffentlicht habe, komme zu dem Schluss, dass die Reform des Schulsystems schon allein deshalb unabwendbar sei, weil in den nächsten 20 Jahren die Zahl der Schüler an den nordrhein-westfälischen Schulen um rund 20 Prozent schrumpfen werde. Dann könnten einzelne Kreise und Gemeinden alle bisherigen Schulformen gar nicht mehr anbieten, sagte Beckmann.

Zudem sei der vom VBE geforderte gemeinsame Unterricht bis zur sechsten Klasse auch eine pädagogische Notwendigkeit. Forscher Rösner ergänzte, die von den GrundschullehrerInnen verlangte Selektion am Ende der vierten Klasse „ist staatlich verordnete Hellseherei“.

Nach Auffassung des VBE soll eine „Allgemeine Sekundarschule“, die alle Schüler von der fünften bis zur 10. Klasse aufnehmen soll, weniger Schulversager produzieren. Die Schulen sollten selbständig mit den Schulämtern entscheiden dürfen, in welcher Form sie den Rahmen der „Allgemeinen Sekundarschule“ ausfüllen können. Eine Trennung in Schulformen innerhalb der Schule sei ab Klasse sieben denkbar, möglich sei aber auch, Schüler entsprechend ihrer Fähigkeiten zu unterrichten. „Statt auf dem Gymnasium sitzen zu bleiben“, so Beckmann, „könnten Schüler einen einfacheren Mathematikkurs besuchen“.

Rösners Modell sieht für die Schule, die der VBE sich vorstellt, keinen gymnasialen Zweig vor. So ließen sich kleinere Schuleinheiten gestalten, sagt Rösner. Er fordert eine „allgemeine Sekundarschule“, die auch Ganztagsschule ist. Auch eine Profilierung auf beispielsweise naturwissenschaftlich-technische oder musisch-künstlerische Bereiche hält Rösner für möglich.

„Die selbständigen Schulen wären dann in der Pflicht, dieses System zu nutzen“, sagt VBE-Chef Beckmann. Dass die neue Landesregierung beim dreigliedrigen Schulsystem bleibt, hält er für unwahrscheinlich, auch wenn die CDU das im Wahlkampf versprochen habe. „Auch diese Landesregierung wird unter Druck geraten und zwangsläufig auf uns zu kommen“, prognostiziert er.

Beckmann hält eine Schulreform vor allem wegen des undemokratischen Charakters des dreigliedrigen Schulsystems für erforderlich. Während im vergangenen Jahr 18.688 SchülerInnen vom Gymnasium zur Realschule oder von der Realschule zur Hauptschule wechselten, gingen nur 1.162 Schüler den umgekehrten Weg. „Das dreigliedrige Schulsystem erfüllt nicht den Anspruch, den ein demokratisches Schulsystem erfüllen muss, nämlich durchlässig zu sein“, sagte Beckmann. „Durchlässigkeit ist fast immer eine Rutschbahn und nur ganz selten ein Aufstieg.“