„Wir sind am Limit“

Hannover, Bremen, Osnabrück – an vielen Standorten im Norden streiken die Drucker. Nur merken die Leser der betroffenen Tageszeitungen von den Protesten in den meisten Fällen wenig bis nichts

von Kay Müller

Vor dem Verlagshaus der Bremer Tageszeitungen AG hängt ein Banner, an den Wänden kleine Zettel, auf denen „Warnstreik“ steht. „Das merkt kaum einer, dass wir um Arbeitsplätze kämpfen und streiken“, sagt Herbert Behrens, verdi-Gewerkschaftssekretär. Denn die Arbeitgeber produzieren die Bremer Lokalzeitung Weser-Kurier mit einer Notbesetzung. Dafür stünden auch leitende Angestellte und Geschäftsführer an den Rotationsmaschinen, erzählt ein Mitarbeiter. „Die Geschäftsleitung geht davon aus, dass die Tageszeitungen erscheinen werden“, heißt es aus der Konzernzentrale.

Das fertige Blatt ist zwar dünner als gewohnt, viele Leser merken das jedoch nicht. Mit dem Streik wollen die Drucker die Rückkehr zum Manteltarifvertrag erreichen. Sie schließen sich damit Warnstreiks an, die in der vergangenen Woche den Madsack-Verlag in Hannover, die Neue Osnabrücker Zeitung und WE-Druck in Oldenburg getroffen haben. Heute beginnt die nächste bundesweite Tarif-Verhandlungsrunde.

Einer, der schon lang als Mediengestalter im Verlag der Bremer Tageszeitungen arbeitet, will seinen Namen nicht sagen, redet dafür aber Tacheles: „Ich habe Angst, rausgeworfen zu werden.“ Finanziell seien er und seine Kollegen „am Limit“. Dazu komme die erhöhte Arbeitsbelastung. In der Abteilung des Mediengestalters arbeiteten früher rund 300 Leute, heute machten um die 70 den Job. Jetzt seien er und andere zu Mehrarbeit und Lohnverzicht aufgefordert worden. Seit Tagen kursieren Schreiben: Über die Hälfte der Mitarbeiter soll einer Neueinstufung des Gehalts zuzustimmen. Steigt der Umsatz des Unternehmens, garantiert die Bremer Tageszeitungen AG eine Beschäftigung bis 2007. „Erpresserbrief“, sagt der Mediengestalter. Rund 100 seiner Kollegen hätten den Vertrag aus Angst unterschrieben, sagt der Mann, der glaubt, dass der Verlag nach wie vor Gewinne einfährt.

Der Mediengestalter vermutet, dass die Verlage die Arbeitnehmerschaft spalten wollen, um Kosten zu sparen. Schon heute sind in einer Ahrensburger Firma Drucker, Techniker und Redakteure angestellt, die zu schlechteren Konditionen arbeiten als ihre tarifvertraglich gesicherten Kollegen. Die in Ahrensburg Beschäftigten sind zu 100 Prozent nach Bremen ausgeliehen. Das bringe bei den Kollegen eine neue Stimmung, sagt der Mediengestalter. „Hier herrscht jetzt eine Scheiß-Egal-Haltung. Die meisten denken, dass sie eh bald auf der Straße stehen. Da streiken sie lieber mit.“

Gestern früh beteiligten sich nach Gewerkschaftsangaben drei Viertel der Beschäftigten des Drucks und der Verlagsangestellten am Warnstreik. Sie wollen eine Lohnerhöhung von 3,7 Prozent und den Erhalt der 35-Stunden-Woche. „Wenn alle Beschäftigten wieder 40 Stunden in der Woche arbeiten, verliert jeder Neunte seinen Job“, sagt Gewerkschafter Behrens. Der Vorstandschef der Bremer Tageszeitungen, Uwe Woywod, äußert sich nicht. Der anonyme Mediengestalter aus Bremen hat nicht viel Hoffnung, seinen Job auf Dauer behalten zu können. Er hat sich bereits im Ausland nach Arbeit umgesehen.