Andreas Speit
Der rechte Rand
: Warum ein Kieler AfD-Stadtrat aus allen Ausschüssen geworfen wird

Stephan Ehmke sitzt schon lange in der Kieler Ratsversammlung. Früher für die CDU, heute für die AfD. Der Ratsherr saß in vier Ausschüssen, von Soziales über Kultur und Sport bis zu Finanzen. Ein interfraktioneller Antrag in der Ratsversammlung der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt führte nun jedoch zu seiner Abberufung aus den Ausschüssen. Auch als Mitglied des Ortsbeirates Hassee/Vieburg wurde er abgewählt. Der Grund: Ehmke ist Vorsitzender der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft (SWG). Seit dem 9. Juni vergangenen Jahres stuft das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) den Verein mit Sitz an der Elbe als „gesichert rechtsextremistisch“ ein.

Der Abberufungsantrag war von der Ratsfraktion der Grünen initiiert worden. Der grüne Landtagsabgeordnete Jan Kürschner sagt zur taz: „Herr Ehmke ist ein Rechtsextremist, von denen es auch in der AfD in Schleswig-Holstein viele gibt.“ Als Vorsitzender der SWG vertrete er verfassungsfeindliche Ziele und prorussische Positionen, so Kürschner. „Die Abberufung von seinen Ämtern halte ich für richtig, sie sollte eine Vorlage für viele Kommunen sein, in denen Rechtsextremisten von der AfD es in Ämter geschafft haben“, sagte Kürschner der taz.

In der Ratsversammlung stimmten die Fraktionen von SPD, CDU, SSW, Die Linke sowie ein fraktionsloses FDP-Ratsmitglied dem Antrag am 13. Juni zu. Die AfD mit ihren insgesamt drei Ratsmitgliedern lehnte die Abberufung ab. Auch Ansgar Stadler von Die Basis folgte dem Antrag nicht.

Foto: Jungsfoto: dpa

Andreas Speitarbeitet als freier Jour­nalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Ehmke steht seit 2020 an der Spitze der SWG. Ihr Kampf gegen eine pluralistische, demokratische Republik begann 1962. Viele Jahre lang war Oberst a. D. Manfred Backerra Vorsitzender, der in einer Publikation behauptet hatte, dass die SS „ritterlich“ und „mit großer Zivilcourage“ gekämpft habe. Ein führendes Gründungsmitglied war zudem Hugo Wellems, ehemals Referent im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda.

Vor zwei Jahren versicherte die Vereinigung, sie sei „ihren konservativen und patriotischen Idealen stets treu geblieben“. Bis heute beklagt sie „alliierte Umerziehung“ und „68er-Wertezersetzung“ und warnt vor Liberalität und Vielfalt. Immer wieder hielten Revisionisten und Rechtsextremisten Vorträge bei der SWG. Auch die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck, die gerade wieder in Hamburg vor Gericht steht, war schon zu Gast.

Regelmäßig äußert sich die SWG auch zu militärischen Konflikten. Brigadegeneral a. D. Reinhard Uhle-Wettler etwa, der lange der SWG vorstand, beklagte bereits am 29. März 2022, einen Monat nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, dass Putin „weltweit als Kriegsverbrecher dargestellt“ werde, „der einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen“ habe. Der Grund dafür – „das russische Sicherheitsbedürfnis“ – werde jedoch „konsequent verschwiegen“, ebenso wie die Tatsache, dass die ukrainische Forderung nach einem Beitritt zur Europäischen Union und zur Nato gegen russische Interessen verstoße.

„Die Abberufung sollte eine Vorlage für viele Kommunen sein, in denen Rechtsextremisten es in Ämter geschafft haben“

Die Einschätzung der SWG als rechtsextremistisch wird aktuell durch ein Interview mit Stephan Ehmke in der April-Ausgabe des Zuerst! Deutsches Nachrichtenmagazin untermauert. Darin beklagt Stephan Ehmke die Einstufung durch den Verfassungsschutz. Dieser sei zu einem „Instrument“ geworden, das „unbescholtene Bürger“ verfolge. Ehmke warnt vor einer „Verfälschung der deutschen Geschichte“, einem „Moralismus der Ideologen“ und einer drohenden „Gesinnungsdiktatur“.