Schwankendes Gemüt

Andreas Klöden wurde bei der letzten Tour de France Zweiter. In dieser Saison allerdings lief es alles andere als optimal für den Ullrich-Freund. Wenigstens seine Wettkampfpause hat er nun beendet

AUS KEMPTEN ROLAND WIEDEMANN

Dieter Ruthenberg steht im Schatten des T-Mobile-Busses und schaut dem Mann im weißen Trikot des deutschen Meisters nach. „Der Klödi kommt wieder“, sagt „Eule“, wie der Mannschaftsmasseur genannt wird. Er ist sich da ganz sicher. Eule kennt Klödi seit vielen Jahren, und er hat ihn auch in den vergangenen Tagen bei der Bayern-Rundfahrt massiert – und dabei gut zugeredet. „Bei Klödi“, sagt Eule schließlich, „ist vieles Kopfsache.“ Frans van Looy, einer der sportlichen Leiter des Teams, findet da schon deutlichere Worte für die schwankenden Gemütslagen und die daraus resultierenden Ergebnisse des Zweiten der letztjährigen Tour de France: „Wenn Andreas gut drauf ist, übertrifft er sich selbst; und wenn es nicht läuft, schmeißt er gleich alles hin.“

Im Frühjahr befand sich Klöden mal wieder im Zustand körperlicher und seelischer Niedergeschlagenheit. Als der Freund von Jan Ullrich Mitte April beim Flèche Wallonne aufgeben musste, verordneten ihm die Verantwortlichen eine Rennpause, die erst mit der Bayern-Rundfahrt letzte Woche beendet wurde. „Ich wollte mich in der Form davor nicht mehr präsentieren“, sagt Klöden. „Ich habe mich geschämt.“ Mittlerweile hat die medizinische Abteilung von T-Mobile sogar eine Erklärung dafür gefunden: Das Höhentraining auf Teneriffa, so heißt es, habe dem Mann aus Cottbus geschadet. Klöden, so erklärt es Heimtrainer Thomas Schediwie, bewege sich mit seinem filigranen Körper in einem schmalen Grenzbereich. „Wenn er diesen trifft, ist so etwas wie voriges Jahr bei der Tour möglich, aber er ist auch leicht aus der Balance zu bringen.“

Der verhängnisvolle Aufenthalt auf der Kanaren-Insel, bei dem Klöden offensichtlich zu früh an seine Leistungsgrenzen ging, sei eine Entscheidung gewesen, „die der Fahrer und die Teamleitung gemeinsam getroffen haben“, sagt van Looy zur Schuldfrage. „Bei Winokurow und Kessler hat das Höhentraining mehrmals gut angeschlagen, da wollte ich es auch versuchen“, sagt Klöden.

Nach fünf Wochen Vorbereitung in flacheren Gefilden fühlt sich der Wahl-Schweizer nun wieder auf dem Weg der Besserung. „Ich hoffe, dass ich die Form des Vorjahres noch finde“, sagte der 29-Jährige bei der Teampräsentation vor der Bayern-Rundfahrt. So richtig überzeugend klang das allerdings nicht. Auf dem Rad hat Klöden dann allerdings gezeigt, dass die Formkurve tatsächlich nach oben zeigt. Er gewann eine Etappe der Bayern-Rundfahrt und bot auch beim Einzelzeitfahren als Vierter eine passable Vorstellung. Hätte sich der deutsche Meister nicht vor dem Schlussanstieg wegen einer Unaufmerksamkeit eines Streckenpostens verfahren, wäre er wohl im Kampf gegen die Uhr sogar vor seinem Teamkollegen Alexander Winokurow gelandet.

„Für Andreas ist die Bayern-Rundfahrt genau zur richtigen Zeit gekommen“, bilanziert jedenfalls Frans van Looy. Die fünftägige Rundfahrt sei nicht zu schwer – und daher als Einstieg nach einer mehrwöchigen Pause bestens geeignet. Deshalb war auch Alexander Winokurow nicht beim Giro d’Italia (den Lance Armstrongs Edelhelfer Paolo Savoldelli gewann) gestartet, sondern bei der zweitklassigen Bayern-Rundfahrt. Anders als Klöden hat der Kasache mit seinem Sieg beim Klassiker Lüttich–Bastogne–Lüttich für die bislang wenigen positiven Schlagzeilen im T-Mobile-Lager gesorgt und sich danach eine Auszeit gegönnt. Winokurow soll bei der bevorstehenden Tour de France eine Art „taktische Allzweckwaffe“ sein. Van Looy: „Wenn Wino attackiert, müssen die anderen Teams reagieren.“ So könne man die Gegner müde machen.

Andreas Klöden soll der zweite wichtige Weggefährte von Jan Ullrich beim Kampf gegen Armstrong sein – wenn er denn fit ist. Immerhin hat Klöden die Allgäu-Etappe, die schwerste Prüfung der Bayern-Rundfahrt, ohne Probleme überstanden. „Ich konnte in den Bergen gut mithalten“, sagt der 26. der Gesamtwertung und macht sich damit selbst Mut. Auch Frans van Looy ist fürs Erste zufrieden, zumindest was die körperlichen Fortschritte angeht. Und mit Klödens sensiblem Wesen müsse man eben leben. Van Looy: „Er ist jetzt 29. Den kann man nicht mehr ändern.“